Der Verrat
wieder zurückzustecken. Mit dem Abdruck als Schablone musste ich dann nur noch die entsprechenden zusätzlichen Löcher in meine eigene Keycard stanzen, die überflüssigen mit schnelltrocknender Epoxid-Spachtelmasse füllen und, voilà, mir standen alle Türen ebenso offen wie dem Hotelpersonal.
Karates Zimmer lag links vom Gang. Mit Hilfe des Soldier-Vision-Gerätes vergewisserte ich mich, dass es leer war, dann verschaffte ich mir mit meinem selbstgebastelten Generalschlüssel Einlass. Ich machte mir keine großen Gedanken darum, ob ich irgendwas im Raum verändern und Karate merken könnte, dass jemand in seiner Abwesenheit hier gewesen war – das konnte durchaus auf das Konto der Zimmermädchen gehen.
Ich trat hinein und schloss die Tür hinter mir. Wer es auch sein mochte, er hatte die Tatsache, dass er auf der Raucheretage wohnte, voll ausgenutzt. In der Luft lag der starke Geruch nach kaltem Tabak – Gauloises oder Gitanes, irgendwas in der Art –, genau wie vor jenen Tokioter Bistros, deren Stammgäste sich die Illusion, sie säßen in einem Straßencafé im Quartier Latin, nicht durch die Geschmacksnote einer Marlboro oder Camel nehmen lassen wollten.
Ich zog Handschuhe an und durchsuchte rasch Schrank und Kommode, fand aber nichts Ungewöhnliches. Der kleine Zimmersafe war verschlossen und enthielt wahrscheinlich seinen Pass und andere interessante Dinge. Auf dem Schreibtisch lag ein Laptop, aber es würde zu lange dauern, ihn hochzufahren. Außerdem, falls Karate die Bootlog-Funktion aktiviert hatte, würde er merken, dass irgendwer in seiner Abwesenheit den Laptop gestartet hatte, und misstrauisch werden.
Ich griff zum Telefon und drückte die Taste für den Roomservice. Nach zweimaligem Klingeln sagte eine weibliche Stimme mit philippinischem Akzent: »Ja, Mr. Nuchi, was kann ich für Sie tun?«
»Hoppla, ich glaub, ich hab die falsche Taste erwischt. Entschuldigen Sie die Störung.«
»Das macht gar nichts, Sir. Schönen Tag noch.«
Ich legte auf. Mr. Nuchi also. Mit einer Vorliebe für französische Zigaretten.
Aber ansonsten keinerlei Hinweise. Nichts, was meinen Verdacht bestätigt hätte, dass der Mann ein Profi war und möglicherweise ein Rivale. Nun denn, es gab noch andere Wege, das in Erfahrung zu bringen.
Ich holte einen Sender aus der Tasche, der auf der Rückseite mit Klebeband versehen war, zog die Schutzfolie ab und befestigte ihn gut versteckt an der Unterkante einer Kommode. Das Gerät lief mit Batterie und wurde durch Schall aktiviert. Mit etwas Glück war der Empfang so gut, dass ich jede Unterhaltung würde mithören können. Doch selbst wenn nicht, würde ich immerhin wissen, wann Karate kam und ging, ich würde ihm leichter folgen können und dadurch mehr über ihn herausfinden.
Ich ging zurück zur Tür, stellte mit Hilfe des Soldier-Vision-Gerätes fest, dass niemand auf dem Flur war, und verließ das Zimmer. Das Ganze hatte nicht mehr als vier Minuten gedauert.
Belghazi traf am frühen Abend desselben Tages ein. Ich gönnte mir gerade mit Keiko einen Cocktail in der Lobby, wo ich die Rezeption im Auge behalten konnte, und erkannte ihn auf Anhieb. Er war ein dunkler Typ, das Vermächtnis einer algerischen Mutter, und sein Haar, das auf dem Foto in der CIA-Akte lang und widerspenstig ausgesehen hatte, war jetzt kurz geschoren. Ich schätzte ihn auf gut ein Meter achtzig und rund achtzig Kilo. Kompakter, muskulöser Körper. Er trug einen teuer wirkenden blauen Anzug, dem Schnitt nach vielleicht Brioni oder Kiton, und ein weißes Hemd mit offenem Kragen. In der linken Hand hatte er einen Aktenkoffer, der aussah wie eine Computertasche, ganz aus schwarzem Leder, und für einen kurzen Moment sah ich an seinem Handgelenk eine Goldkette aufblitzen. Doch trotz der Kleidung, der Accessoires und des Schmucks wirkte er kein bisschen großspurig. Im Gegenteil: Er hatte eine lockere und zugleich respekteinflößende Ausstrahlung. Er sah aus wie ein Mann, der nicht laut werden musste, wenn er mit seinen Untergebenen sprach, der die Aufmerksamkeit von Fremden mit nur einem Blick oder einer Geste auf sich ziehen konnte. Jemand, der es nicht nötig hatte, mit Gewalt zu drohen, um zu bekommen, was er wollte, und sei es auch nur, weil ein Hauch davon allgegenwärtig war, in seiner Haltung, dem Blick in seinen Augen, dem Tonfall seiner Stimme.
Selbst wenn ich das Foto aus der Akte nicht kennen würde, so hätte ich den Mann allein aufgrund des Gespürs erkannt, das ich anhand
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