Der Verrat
seines Lebenslaufes für ihn entwickelt hatte. Belghazi, Vorname Achille, war der Sohn eines französischen Armeeoffiziers, der während der französischen »Befriedungs« -Bemühungen in Algerien dort stationiert gewesen war, und einer jungen Algerierin, die der Offizier zwar mit zurück nach Paris gebracht, aber nicht geheiratet hatte. Doch sein illegitimer Status beeinträchtigte Belghazi anscheinend in keiner Weise, denn er hatte sich durch schulische und sportliche Leistungen hervorgetan und war später ein renommierter Fotojournalist geworden. Der Umstand, dass er fließend Arabisch sprach, hatte ihn für die Berichterstattung über Konflikte in der arabischen Welt prädestiniert: die palästinensischen Flüchtlingslager, die Mudschaheddin in Afghanistan, der erste Golfkrieg. Mit Hilfe seiner Kontakte zu den kämpfenden Truppen und zu ausländischen Militärs und Geheimdiensten war Belghazi zum Organisator von Leichtwaffenlieferungen an Krisenherde im Nahen Osten geworden. Sein Unternehmen war in dem Maße gewachsen, wie seine Lieferanten- und Kundenkartei umfangreicher und bedeutender geworden war. Seine jüngsten Bemühungen konzentrierten sich auf Südostasien, wo immer neue fundamentalistische und separatistische Gruppierungen innerhalb der muslimischen Bevölkerung ihm eine stetig wachsende Kundschaft bescherten. Man sagte ihm auch einen Sinn für die schönen Dinge des Lebens sowie einen ausgeprägten Hang zum Glücksspiel nach.
Er war in Begleitung von zwei massigen Männern, beide gleichfalls im Anzug und von ebenso dunkler Hautfarbe, die ich als Bodyguards einstufte. Einer von ihnen ließ sofort einen Kontrollblick durch die Lobby wandern, doch Belghazi verließ sich nicht auf ihn. Er machte sich von dem Raum und den Leuten darin lieber selbst ein Bild. Ich beobachtete ihn aus den Augenwinkeln, und als ich sah, dass er fertig war und seine Aufmerksamkeit der Rezeption zuwandte, schaute ich wieder hinüber.
In diesem Moment betrat eine attraktive Blondine die Lobby. Sie trug einen schwarzen Hosenanzug und Pumps. Praktisch, aber klassisch. Was man von einer Frau erwarten würde, die erster Klasse reiste. Außerdem war sie groß, schätzungsweise ein Meter fünfundsiebzig oder noch etwas mehr, mit langen Beinen, die auch in Hosen noch umwerfend aussahen, und einem wohlgeformten, sinnlichen Körper. Ein Gepäckträger kam hinter ihr her und trug zwei große Vuitton-Reisetaschen. Er blieb dicht hinter ihr stehen und beugte sich vor, um sie etwas zu fragen. Sie hob die Hand, um ihm zu verstehen zu geben, dass er warten solle, dann ließ sie ebenfalls den Blick durch die Lobby schweifen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich richtete meine Aufmerksamkeit rasch wieder auf Keiko, bis die Augen der Blondine über uns hinweggeglitten waren. Als ich wieder hinüberschielte, stand sie neben Belghazi und hatte sich bei ihm eingehakt.
Wie er strahlte auch sie etwas Lockeres und, wenn auch auf andere Art, Gebieterisches aus. Alles an ihr wirkte natürlich: ihr Haar, ihr Gesicht, die Wölbungen unter ihrer Kleidung.
Eine Minute später ging sie – gefolgt von dem Träger und einem der Bodyguards – zu den Aufzügen. Belghazi und der andere Bodyguard blieben noch stehen und erörterten irgendetwas mit dem Mann an der Rezeption.
Wieder öffnete sich die Eingangstür. Ich blickte auf und sah Karate.
Himmel, dachte ich. Alle Mann versammelt. Ich fragte mich, ob er irgendeinen Tipp bekommen hatte.
Karate ging langsam durch die Lobby. Ich sah, wie sein Blick zu Belghazi hinüberwanderte, beobachtete, wie seine Augen hart wurden, was den meisten Menschen nicht viel verraten hätte, mir jedoch sehr wohl. Dieser Blick sagte mir, dass Karate keinen Mann anschaute. Nein. Ich sah einen Jäger, der seine Beute ins Visier nahm.
Und ich wusste auch, dass trotz meiner lange geübten Selbstbeherrschung jeder, der mich in dem Moment beobachtet hätte, den gleichen unwillkürlichen Ausdruck über mein Gesicht hätte gleiten sehen.
Einige Minuten vergingen. Belghazi und sein Begleiter waren an der Rezeption fertig und gingen zum Aufzug. Ich ließ ihnen vier Minuten Vorsprung, dann sagte ich Keiko, ich müsse zur Toilette und wäre gleich wieder da.
Ich ging zu einem der Haustelefone und bat die Vermittlung, mich zur Oriental Suite durchzustellen. Im Hotel gab es nur zwei Suiten – die Oriental und die Macau –, und aufgrund seiner Akte war ich mir so gut wie sicher, dass Belghazi in einer der beiden wohnen würde.
In der
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