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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Ein neugieriger Mann
    W ie machen sie es?«, fragte der Mann, den das Phil anthropische I nstitut geschickt hatte. Er gab sich sehr freundlich, aber Florence und ihre Kollegen hielten ihn trotzdem für einen Controller, der ihnen auf die Finger sehen sollte. »Wie stellen sie es an?«
    »Es sind besonders begabte Personen«, erwiderte Direktor Rasmussen und erweckte den Eindruck, sich in seinem grauen Vollbart verkriechen zu wollen. »Wir geben ihnen und den Patienten Tetranol, und das ermöglicht es den SGPs, den Special Gifted Persons beziehungsweise Travellern, wie wir sie nennen, sich mit dem Unterbewusstsein der Kontaktpersonen zu verbinden.«
    »Sie spazieren darin umher, nicht wahr?«, fragte der PI-Mann fasziniert und sah durchs große Fenster in den Raum, der wie ein gemütlicher Salon eingerichtet war. Zurzeit hielten sich dort vier Traveller auf, unter ihnen einer, der im Rollstuhl saß und als besonders talentiert galt: Zacharias. »So hat man es mir beschrieben. Sie nehmen mental an den Träumen der Zielpersonen teil und agieren darin wie Komparsen in einem Film. Obwohl sie eigentlich selbst krank sind und hier therapiert werden, nicht wahr?«
    »Nun …« Rasmussen wechselte einen Blick mit Florence und den anderen Therapeuten. »Ich würde sie nicht als ›krank‹ bezeichnen, Mr. Thorpe. Sie sind … anders als wir. Einige von uns glauben, sie könnten eine Antwort der menschlichen Evolution auf das Ende der uns vertrauten Welt sein. Und wie sie es anstellen … Ein Trauma kann für den Geist einer Person ähnlich dramatische Folgen haben wie eine Krebserkrankung für den physischen Körper. Manchmal wuchert es, bildet Metastasen und vergiftet das Bewusstsein. Die Traveller sind wie Chirurgen des Geistes. Sie finden die Geschwulst im Denken und Fühlen der Zielperson und schneiden sie heraus.«
    »Das klingt … aufregend«, sagte Thorpe.
    »Es kommt darauf an, was Sie unter Aufregung verstehen«, warf Florence ein. »Sie haben eben von Komparsen in einem Film gesprochen. Mögen Sie Horrorfilme, Mr. Thorpe?«

Die Foundation
    1
    D ie Sonne hing rot wie Blut an einem grauen Himmel, un ter dem sich die Wellen eines grauen Meeres zu schaumgekrönten Bergen auftürmten. Mit zornigem Donnern schmetterten sie auf einen Strand aus schwarzem Kies, der nach zwei Dutzend Metern an den brüchigen Fassaden hoher Gebäude endete. Die Tür, die sich vor Zacharias und Florence geöffnet hatte, schwebte etwa einen Meter über dem Strand, der Brandung so nahe, dass sie die Gischt spürten. Sie standen auf der Schwelle, hinter ihnen ein grollender, kalbender Gletscher, weiß unter einem kobaltblauen Himmel, und vor ihnen die Welt mit dem wütenden Meer und den Klippen aus Gebäudefronten, grau wie der aufgewühlte Ozean und der Himmel darüber.
    »Er versucht uns zu verwirren.« Zacharias sprang, landete auf nassem, knirschendem Kies und half Florence herunter. Wie von einem Windstoß erfasst schlug die Tür zu und verschwand. »Was sagen die Daten?«
    Florence hob die Hand zum Interface-Äquivalent am Ohr. »Sein Zustand ist stabil. Er schläft. Tetranol-Phase bei sechzig Prozent. Wir haben Zeit genug, Zach.«
    »Er schläft«, sagte Zacharias und beobachtete, wie eine weitere Welle wuchs, wie sie noch höher wurde als die anderen vor ihr und zum Strand rollte. »Aber er weiß von uns, und sein Unterbewusstsein wehrt sich mit Derealisation. Er will uns verwirren und vom Weg abbringen.« Zacharias konzentrierte sich auf die Welle, und sie teilte sich, schlug rechts und links von ihnen auf den Kies. Ihre Ausläufer erreichten die nächste Gebäudefront und leckten daran empor. Einige lockere Putzfladen lösten sich, und die Reste der Welle nahmen sie mit, als sie über den Strand zurückströmten und sich wieder mit dem Meer vereinten.
    »Die Verbindung ist gut«, sagte Zacharias zufrieden. »Ich bleibe in ihm.« Es fühlte sich auch gut an, zu sprechen und sich zu bewegen. Er genoss es jedes Mal und brauchte Florence nicht extra darauf hinzuweisen; sie wusste es genau. Er lächelte bei diesem Gedanken.
    »Warum lächelst du, Zach?«, fragte Florence.
    »Nur so«, log er und nahm ihre Hand. »Komm, lass uns die nächste Tür suchen. Sie muss hier ganz in der Nähe sein; ich spüre es.« Es juckte hinter seinem linken Auge, ein sicherer Hinweis.
    Seite an Seite gingen sie über den schwarzen Kies, wäh rend das Meer rauschte und weiterhin Wellen donnernd auf den Strand schlugen. Die Erschütterungen waren so heftig, dass

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