Der Verrat
doch absurd!«
Die beiden Vorstände von RiverOaks hatten genug. Sie besaßen eine natürliche Scheu vor Gerichtssälen, und drei Stunden Mordecai hatte ihre Angst auf neue Höhen getrieben. Einen zwei Wochen dauernden Prozess wollten sie um jeden Preis vermeiden. Sie schüttelten verärgert den Kopf und flüsterten miteinander.
Selbst Tillman Gantry war Arthurs Unnachgiebigkeit leid. Ein Vergleich war zum Greifen nahe - das Ding musste jetzt unter Dach und Fach!
Eben hatte Mordecai geschrien: »Was für einen Unterschied würde das machen?«
Und er hatte recht. Es machte wirklich keinen Unterschied, jedenfalls nicht für einen Armenanwalt wie mich, dessen Tätigkeit, Status und Gehalt diese befristete Aberkennung der Zulassung nicht im mindesten berühren würde.
Ich erhob mich und sagte sehr verbindlich: »Wir könnten uns auf halbem Weg entgegenkommen, Euer Ehren. Sie fordern zwölf Monate, wir bieten sechs. Ich bin mit neun Monaten einverstanden.« Dabei sah ich Barry Nuzzo an. Er lächelte.
Hätte Arthur in diesem Augenblick Einwände erhoben, dann hätten die anderen ihn zu Boden geschlagen. Alle, auch der Richter, waren erleichtert. »Dann ist ja alles geregelt«, sagte er, ohne die Beklagten nach ihrem Einverständnis zu fragen.
Seine wunderbar tüchtige Gerichtsgehilfin hatte sich an den vor dem Richtertisch aufgebauten Computer gesetzt und präsentierte uns schon nach wenigen Minuten einen nur eine Seite umfassenden Vergleichsvertrag. Wir beeilten uns, ihn zu unterschreiben, und gingen.
Im Büro gab es keinen Champagner. Sofia tat, was sie immer tat. Abraham war nach New York zu einer Tagung über Obdachlosigkeit gefahren.
Wenn es in Amerika eine Kanzlei gab, die fünfhundert-tausend Dollar ausgeben konnte, ohne dass man es groß merkte, dann war es das Rechtsberatungsbüro in der 14th Street. Mordecai wollte moderne Computer und Telefone anschaffen und spielte mit dem Gedanken, eine neue Heizung einbauen zu lassen. Der größte Teil des Geldes sollte auf ein Konto gehen, Zinsen tragen und zur Überbrückung schlechter Zeiten dienen. Es war eine schöne Rücklage, die unser mageres Gehalt für mehrere Jahre sichern würde.
Wenn es ihn ärgerte, die anderen fünfhunderttausend an die Cohen-Stiftung überweisen zu müssen, dann verbarg er es gut. Mordecai war kein Mensch, der sich über Dinge, die er nicht ändern konnte, den Kopf zerbrach. Er schlug nur Schlachten, die er gewinnen konnte.
Es würden mindestens neun Monate harter Arbeit nötig sein, um die Schadenersatzsumme zu verteilen, und den größten Teil dieser Arbeit würde ich erledigen. Erben mussten festgestellt und gefunden werden, und wenn sie gemerkt hatten, dass viel Geld im Spiel war, würde man sich mit ihnen auseinandersetzen müssen. Es würde kompliziert werden. So würden beispielsweise die Leichname von Kito Spires sowie von Temeko, Alonso und Dante exhumiert werden müssen, um durch eine DNA-Analyse die Frage der Vaterschaft zu klären.
Sollte Kito sich tatsächlich als Vater der Kinder erweisen, dann war er ihr Erbe, denn sie waren vor ihm gestorben. Und dann mussten eine Treuhänderschaft eingerichtet und seine Erben gesucht werden.
Auch Lontaes Mutter und Brüder stellten uns vor große Probleme. Sie hatten Freunde im Milieu und würden, wenn sie in ein paar Jahren auf Bewährung freikamen, lautstark Anspruch auf ihr Erbe erheben.
Mordecai verfolgte noch zwei andere äußerst interessante Projekte. Das erste war die Rekrutierung von Gratis-Anwälten. Das Büro hatte vor Jahren ein solches Programm organisiert, es aber wieder einstellen müssen, weil die öffentlichen Zuschüsse gekürzt worden waren. Damals hatten zeitweise hundert Anwälte freiwillig einige Wochenstunden geleistet, um Obdachlosen zu helfen. Mordecai bat mich nun, dieses Programm wiederzubeleben. Der Gedanke gefiel mir. Wir würden mehr Menschen erreichen, bessere Kontakte zu den etablierten Kanzleien unterhalten und eine breitere Basis für unsere Spendensammlung haben.
Das war das zweite Projekt. Aufgrund ihres Naturells waren Sofia und Abraham nicht imstande, erfolgreich um Geld zu bitten. Mordecai konnte einem das letzte Hemd abschwatzen, brachte es aber nicht über sich zu betteln. Ich war der intelligente, junge, weiße, wohlerzogene Anwalt, der sich mühelos unter seinesgleichen bewegen und die Leute überzeugen konnte, jährlich etwas zu spenden.
»Wenn Sie es geschickt anstellen, könnten Sie zwei-hunderttausend pro Jahr zusammenbekommen«,
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