Der verrueckte Feuerspuk
„Was soll das denn?“
„Feuersteine …“, wiederholte Max ebenso erstaunt.
Paula streckte ihre Hand nach den gräulich schwarzen Steinen aus. Blitz und Donner folgten schnell aufeinander und dann stand Frau Hagedorn neben ihnen. Mit einem Blick auf die Steine in Paulas Hand sagte sie: „Ja, das sind Feuersteine. Wenn man sie aneinanderschlägt, gibt es Funken. Als Kinder haben wir versucht mit ihnen Feuer zu machen.“ Sie bückte sich und hob das vergilbte Papier auf. Ihre Stirn lag in tiefen Falten. Schließlich schüttelte sie den Kopf. „Ich finde das langsam nicht mehr witzig!“
„Ach herrje, jetzt hat er es aber wirklich übertrieben!“
Alle drehten sich zu der Stimme um. Herr Moosbroger stand hinter der Rezeption und schaute sich bestürzt die Bescherung an.
„Wer hat es übertrieben?“, fragte Frau Hagedorn und kniff die Augen zusammen. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie die Antwort auf ihre Frage ahnte und nur darauf wartete, sie aus Herrn Moosbrogers Mund zu hören.
Herr Moosbroger zögerte, bevor er stammelte: „Julius, unser Sohn … Wir haben ihm erlaubt, den Gästen ab und zu einen kleinen Schrecken einzujagen. Aber das hier … so was hat er noch nie gemacht.“
Frau Hagedorn legte das Kinn auf die Brust und erwiderte in schneidendem Ton: „Sie erwarten doch wohl nicht, dass wir diesen Gespensterhokuspokus weiterhin dulden! Damit beeindrucken Sie vielleicht diese Feodora Sowieso. Aber was mich angeht: Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie geschmacklos ich das alles finde! Sie sollten sich was schämen! Den Kindern solche Angst einzujagen.“ Sie legte schützend den Arm um Max. „Und für dich heißt es jetzt Abmarsch ins Bett! Armer Junge. Erst die Seekrankheit und dann so ein Schock!“
„Mir geht es doch schon viel besser“, setzte sich Max zur Wehr. Aber gegen Frau Hagedorn war jeder Widerstand zwecklos. Mit einem wütenden Blick drückte sie Herrn Moosbroger das Stück Papier in die Hand.
„Der Zettel!“, zischte Max Paula zu. „Ich will wissen, was auf dem Zettel steht!“
Nachdenklich schaute Paula Frau Hagedorn hinterher, die mit Max im Schlepptau davonmarschierte. Als sie sich zu Herrn Moosbroger umdrehte, faltete dieser gerade das Papier zusammen. „Paula! Nicht wahr, so war doch dein Name?“, fragte Herr Moosbroger mit schuldbewusster Miene. „Es tut mir leid, wenn ihr euch erschreckt habt.“
„Was steht denn auf dem Zettel?“, fragte Paula.
„Sinnloses Gekritzel. Da hat sich wohl jemand einen schlechten Scherz erlaubt. Aber Julius kann es nicht gewesen sein.“
„Darf ich mal sehen?“ Paula konnte es vor Neugier kaum erwarten.
„Aber natürlich“, sagte Herr Moosbroger mit schwacher Stimme, gab Paula den Zettel und verschwand in sein Büro.
Enttäuscht starrte Paula auf den Zettel. Aus den Zeichen darauf wurde sie nicht schlau. Sie musste sofort zu Julius und ihn fragen, was es mit dem Zettel auf sich hatte. Außerdem sollte er erfahren, was für eine Aufregung seine kleine Inszenierung ausgelöst hatte!
„Diese blutroten Kerzenwachstropfen haben mir eine ordentliche Gänsehaut beschert“, erzählte Paula, als sie wenig später in Julius’ Zimmer stand. Mit hochrotem Kopf lag er in seinem Bett. „Du hättest hören sollen, wie Frau Hagedorn geschimpft hat! Glückwunsch! Wenn ich nicht gewusst hätte, dass du hinter all dem steckst, würden mir jetzt noch die Zähne klappern“, plapperte Paula fröhlich und setzte sich zu Julius auf die Bettkante. „Aber was soll das hier bedeuten?“ Mit fragendem Blick hielt sie Julius den Zettel unter die Nase.
Julius hustete heftig. „Ich weiß überhaupt nicht, wovon du redest“, krächzte er.
„Dann frisch ich mal dein Gedächtnis auf! Ich rede von einer rußigen Türklinke, einer Kerzenwachsspur in der Eingangshalle, ein paar Feuersteinen und dieser komischen Nachricht hier!“ Paula wedelte mit dem Zettel.
Julius rappelte sich hoch und schaute Paula entgeistert an. „Und du denkst, ich hätte etwas damit zu tun?“
„Natürlich! Wer denn sonst? Und im Übrigen kannst du aufhören, Theater zu spielen. Ein zweites Mal fall ich bestimmt nicht auf dich rein, du Möchtegerngespenst!“
„Paula, ich schwör dir, ich hab mit der ganzen Sache nichts zu tun!“ Julius räusperte sich. „In manchen Nächten spuke ich vielleicht als Mönch Sebastianus durch das Kloster. Aber ich schreibe keine komischen Nachrichten und ich tröpfle auch kein Kerzenwachs auf den Boden. Meine Eltern würden
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