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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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schlafen, wie in der Nacht, und trieb alle drei auf den Gang hinaus mit der Erklärung, daß das Zimmer für neue Gäste hergerichtet werden müsse. Davon war aber natürlich keine Rede, sie handelte nur aus Bosheit. Karl der seinen Koffer gerade hatte ordnen wollen, mußte zusehn, wie die Frau seine Sachen mit beiden Händen packte und mit einer Kraf in den Koffer warf, als seien es irgendwelche Tiere, die man zum Kuschen bringen mußte. Die beiden Schlosser machten sich zwar um sie zu schaffen, zupfen sie an ihrem Rock, beklopfen ihren Rücken, aber wenn sie die Absicht hatten Karl damit zu helfen, so war das ganz verfehlt. Als die Frau den Koffer zugeklappt hatte, drückte sie Karl den Halter in die Hand, schüttelte die Schlosser ab, und jagte alle drei mit der Drohung aus dem Zimmer, daß sie, wenn sie nicht folgten, keinen Kaffee bekommen würden. Die Frau mußte offenbar gänzlich daran vergessen haben, daß Karl nicht von allem Anfang an zu den Schlossern gehört hatte, denn sie behandelte sie als eine einzige Bande. Allerdings hatten die Schlosser Karls Kleid ihr verkauf und damit eine gewisse Gemeinsamkeit erwiesen.
       Auf dem Gange mußten sie lange hin und her gehn und besonders der Franzose, der sich in Karl eingehängt hatte, schimpfe ununterbrochen, drohte den Wirt, wenn er sich vorwagen sollte, niederzuboxen und es schien eine Vorbereitung dazu zu sein, daß er die geball- ten Fäuste rasend an einander rieb. Endlich kam ein un- schuldiger kleiner Junge, der sich strecken mußte als er dem Franzosen die Kaffeekanne reichte. Leider war nur eine Kanne vorhanden und man konnte dem Jungen nicht begreiflich machen, daß noch Gläser erwünscht wären. So konnte immer nur einer trinken und die zwei andern standen vor ihm und warteten. Karl hatte keine Lust zu trinken, wollte aber die andern nicht kränken und stand also, wenn er an der Reihe war untätig da, die Kanne an den Lippen.
       Zum Abschied warf der Irländer die Kanne auf die steinernen Fliesen hin, sie verließen von niemandem ge- sehn das Haus und traten in den dichten gelblichen Mor- gennebel. Sie marschierten im allgemeinen still neben- einander am Rande der Straße, Karl mußte seinen Koffer tragen, die andern würden ihn wahrscheinlich erst auf seine Bitte ablösen, hie und da schoß ein Automobil aus dem Nebel und die drei drehten ihre Köpfe nach den meist riesenhafen Wagen, die so auffällig in ihrem Bau und so kurz in ihrer Erscheinung waren, daß man nicht Zeit hatte, auch nur das Vorhandensein von Insassen zu bemerken. Später begannen die Kolonnen der Fuhrwer- ke, welche Lebensmittel nach New York brachten, und die in fünf die ganze Breite der Straße einnehmenden Reihen so ununterbrochen dahinzogen, daß niemand die Straße hätte überqueren können. Von Zeit zu Zeit ver- breiterte sich die Straße zu einem Platz, in dessen Mitte auf einer turmartigen Erhöhung ein Polizist auf und ab schritt, um alles übersehen und mit einem Stöckchen den Verkehr auf der Hauptstraße sowie den von den Seiten- straßen hier einmündenden Verkehr ordnen zu können, der dann bis zum nächsten Platze und zum nächsten Policisten unbeaufsichtigt blieb, aber von den schwei- genden und aufmerksamen Kutschern und Chauffeuren freiwillig in genügender Ordnung gehalten wurde. Über die allgemeine Ruhe staunte Karl am meisten. Wäre nicht das Geschrei der sorglosen Schlachttiere gewesen, man hätte vielleicht nichts gehört als das Klappern der Hufe und das Sausen der Antiderapants. Dabei war die Fahrtschnelligkeit natürlich nicht immer die gleiche. Wenn auf einzelnen Plätzen infolge allzu großen An- dranges von den Seiten große Umstellungen vorgenom- men werden mußten, stockten die ganzen Reihen und fuhren nur Schritt für Schritt, dann aber kam es auch wieder vor, daß für ein Weilchen alles blitzschnell vor- beijagte, bis es wie von einer einzigen Bremse regiert sich wieder besänfigte. Dabei stieg von der Straße nicht der geringste Staub auf, alles bewegte sich in der klarsten Luf. Fußgänger gab es keine, hier wanderten keine ein- zelnen Marktweiber zur Stadt, wie in Karls Heimat, aber doch erschienen hie und da große flache Automobile, auf denen an zwanzig Frauen mit Rückenkörben, also doch vielleicht Marktweiber, standen und die Hälse streckten, um den Verkehr zu überblicken und sich Hoffnung auf raschere Fahrt zu holen. Dann sah man ähnliche Automobile, auf denen einzelne Männer die Hände in den Hosentaschen

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