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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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aufgestützt – "zunächst Dir alles erklären und die Vorräte zeigen. Du bist gebildet und hast sicher eine schöne Schrift, Du könntest also gleich ein Verzeichnis aller der Sachen machen, die wir da haben. Das hat sich Brunelda schon längst gewünscht. Wenn morgen Vormittag schönes Wetter ist, werden wir Brunelda bitten, daß sie sich auf den Balkon setzt und inzwischen werden wir ruhig und ohne sie zu stören im Zimmer arbeiten können. Denn darauf, Roßmann, mußt Du vor allem Acht geben. Nur nicht Brunelda stören. Sie hört alles, wahrscheinlich hat sie als Sängerin so empfindliche Ohren. Du rollst z. B. das Faß mit Schnaps, das hinter den Kästen steht, heraus, es macht ja Lärm, weil es schwer ist und dort überall verschiedene Sachen herumliegen so daß man es nicht mit einemmal durchrollen kann. Brunelda liegt z. B. ruhig auf dem Kanapee und fängt Fliegen, die sie überhaupt sehr belästigen.
    Du glaubst also, sie kümmert sich um Dich nicht und rollst Dein Faß weiter. Sie liegt noch immer ruhig. Aber in einem Augenblick, wo Du es gar nicht erwartest und wo Du am
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    wenigsten Lärm machst, setzt sie sich plötzlich aufrecht, schlägt mit beiden Händen auf das Kanapee, daß man sie vor Staub nicht sieht – seit wir hier sind habe ich das Kanapee nicht ausgeklopft, ich kann ja nicht, sie liegt doch immerfort darauf –
    und fängt schrecklich zu schreien an, wie ein Mann, und schreit so stundenlang. Das Singen haben ihr die Nachbarn verboten, das Schreien aber kann ihr niemand verbieten, sie muß schreien, übrigens geschieht es ja jetzt nur selten, ich und Delamarche sind sehr vorsichtig geworden. Es hat ihr ja auch sehr geschadet.
    Einmal ist sie ohnmächtig geworden und ich habe – Delamarche war gerade weg – den Studenten von nebenan holen müssen, der hat sie aus einer großen Flasche mit einer Flüssigkeit bespritzt, es hat auch geholfen, aber diese Flüssigkeit hat einen unerträglichen Geruch gehabt, noch jetzt wenn man die Nase zum Kanapee hält, riecht man es. Der Student ist sicher unser Feind, wie alle hier, Du mußt Dich auch vor allen in acht nehmen und Dich mit keinem einlassen. "

    "Du Robinson", sagte Karl, "das ist aber ein schwerer Dienst.
    Da hast Du mich für einen schönen Posten empfohlen."

    "Mach Dir keine Sorgen", sagte Robinson und schüttelte mit geschlossenen Augen den Kopf um alle möglichen Sorgen Karls abzuwehren, "der Posten hat auch Vorteile wie sie Dir kein anderer Posten bieten kann. Du bist immerfort in der Nähe einer Dame wie Brunelda ist, Du schläfst manchmal mit ihr im gleichen Zimmer, das bringt schon, wie Du Dir denken kannst, verschiedene Annehmlichkeiten mit sich. Du wirst reichlich bezahlt werden, Geld ist in Menge da, ich habe als Freund des Delamarche nichts bekommen, nur wenn ich ausgegangen bin, hat mir Brunelda immer etwas mitgegeben, aber Du wirst natürlich bezahlt werden, wie ein anderer Diener. Du bist ja auch nichts anderes. Das Wichtigste für Dich aber ist, daß ich Dir den Posten sehr erleichtern werde. Zunächst werde ich
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    natürlich nichts machen, damit ich mich erhole, aber wie ich nur ein wenig erholt bin, kannst Du auf mich rechnen. Die eigentliche Bedienung Bruneldas behalte ich überhaupt für mich, also das Frisieren und Anziehn, soweit es nicht Delamarche besorgt. Du wirst Dich nur um das Aufräumen des Zimmers, um Besorgungen und die schwereren häuslichen Arbeiten zu kümmern haben. "

    "Nein Robinson", sagte Karl, "das alles verlockt mich nicht. "

    "Mach keine Dummheiten Roßmann", sagte Robinson ganz nahe an Karls Gesicht, "verscherze Dir nicht diese schöne Gelegenheit. Wo bekommst Du denn gleich einen Posten? Wer kennt Dich? Wen kennst Du? Wir, zwei Männer, die schon viel erlebt haben und große Erfahrung besitzen, sind wochenlang herumgelaufen, ohne Arbeit zu bekommen. Es ist nicht leicht, es ist sogar verzweifelt schwer. "

    Karl nickte und wunderte sich, wie vernünftig Robinson auch sprechen konnte. Für ihn hatten diese Ratschläge allerdings keine Geltung, er durfte hier nicht bleiben, in der großen Stadt würde sich wohl ein Plätzchen noch für ihn finden, die ganze Nacht über, das wußte er, waren alle Gasthäuser überfüllt, man brauchte Bedienung für die Gäste, darin hatte er nun schon Übung, er würde sich schon rasch und unauffällig in irgend einen Betrieb einfügen. Gerade im gegenüberliegenden Hause war unten ein kleines Gasthaus untergebracht, aus dem eine rauschende Musik

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