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Der Verschollene

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Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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um dieser Möglichkeit zuvorzukommen sondern um auch sonst gleich Klarheit zu schaffen, gieng Karl mit der Kerze in der Hand zu den Betten und erklärte, mit welchem Rechte er hier sei. Sie schienen diese Erklärung gar nicht erwartet zu haben, denn noch viel zu verschlafen, um reden zu können, sahen sie ihn bloß ohne jedes Erstaunen an. Sie waren beide sehr junge Leute, aber schwere Arbeit oder Not hatten ihnen vorzeitig die Knochen aus den Gesichtern vorgetrieben, unordentliche Bärte hiengen ihnen ums Kinn, ihr schon lange nicht geschnittenes Haar lag ihnen zerfahren auf dem Kopf und ihre tiefliegenden Augen rieben und drückten sie nun noch vor Verschlafenheit mit den Fingerknöcheln.

    Karl wollte ihren augenblicklichen Schwächezustand ausnützen und sagte deshalb: "Ich heiße Karl Roßma nn und bin ein Deutscher. Bitte sagen Sie mir, da wir doch ein gemeinsames Zimmer haben, auch Ihren Namen und Ihre Nationalität. Ich erkläre nur noch gleich, daß ich keinen Anspruch auf ein Bett erhebe, da ich so spät gekommen bin und überhaupt nicht die Absicht habe zu schlafen. Außerdem müssen
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    Sie sich nicht an meinem schönen Kleid stoßen, ich bin vollständig arm und ohne Aussichten. "

    Der Kleinere von beiden – es war jener der die Stiefel anhatte
    – deutete mit Armen, Beinen und Mienen an, daß ihn das alles gar nicht interessiere und daß jetzt überhaupt keine Zeit für derartige Redensarten sei, legte sich nieder und schlief sofort; der andere, ein dunkelhäutiger Mann, legte sich auch wieder nieder, sagte aber noch vor dem Einschlafen mit lässig ausgestreckter Hand: "Der da heißt Robinson und ist Irländer, ich heiße Delamarche, bin Franzose und bitte jetzt um Ruhe."
    Kaum hatte er das gesagt, blies er mit großem Atemaufwand Karls Kerze aus und fiel auf das Kissen zurück.

    "Diese Gefahr ist also vorläufig abgewehrt", sagte sich Karl und kehrte zum Tisch zurück. Wenn ihre Schläfrigkeit nicht Vorwand war, war ja alles gut. Unangenehm war bloß, daß der eine ein Irländer war. Karl wußte nicht mehr genau, in was für einem Buch er einmal zuhause gelesen hatte, daß man sich in Amerika vor den Irländern hüten solle. Während seines Aufenthaltes beim Onkel hätte er freilich die beste Gelegenheit gehabt, der Frage nach der Gefährlichkeit der Irländer auf den Grund zu gehn, hatte dies aber, weil er sich für immer gut aufgehoben geglaubt hatte, völlig versäumt. Nun wollte er wenigstens mit der Kerze, die er wieder angezündet hatte, diesen Irländer genauer ansehn, wobei er fand, daß gerade dieser erträglicher aussah, als der Franzose. Er hatte sogar noch eine Spur von runden Wangen und lächelte im Schlaf ganz freundlich, soweit das Karl aus einiger Entfernung, auf den Fußspitzen stehend feststellen konnte.

    Trotz allem fest entschlossen, nicht zu schlafen, setzte sich Karl auf den einzigen Sessel des Zimmers, verschob vorläufig
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    das Packen des Koffers, da er ja dafür die ganze Nacht noch verwenden konnte und blätterte ein wenig in der Bibel, ohne etwas zu lesen. Dann nahm er die Photographie der Eltern zur Hand, auf der der kleine Vater hoch aufgerichtet stand, während die Mutter in dem Fauteuil vor ihm ein wenig eingesunken dasaß. Die eine Hand hielt der Vater auf der Rückenlehne des Fauteuils, die andere zur Faust geballt, auf einem illustrierten Buch, das aufgeschlagen auf einem schwachen
    Schmucktischchen ihm zur Seite lag. Es gab auch eine Photographie, auf welcher Karl mit seinen Eltern abgebildet war, Vater und Mutter sahen ihn dort scharf an, während er nach dem Auftrag des Photographen den Apparat hatte anschauen müssen. Diese Photographie hatte er aber auf die Reise nicht mitbekommen.

    Desto genauer sah er die vor ihm liegende an und suchte von verschiedenen Seiten den Blick des Vaters aufzufangen. Aber der Vater wollte, wie er auch den Anblick durch verschiedene Kerzenstellungen änderte, nicht lebendiger werden, sein wagrechter starker Schnurrbart sah der Wirklichkeit auch gar nicht ähnlich, es war keine gute Aufnahme. Die Mutter dagegen war schon besser abgebildet, ihr Mund war so verzogen, als sei ihr ein Leid angetan worden und als zwinge sie sich zu lächeln.
    Karl schien es, als müsse dies jedem der das Bild ansah, so sehr auffallen, daß es ihm im nächsten Augenblick wieder schien, die Deutlichkeit dieses Eindrucks sei zu stark und fast widersinnig.
    Wie könne man von einem Bild so sehr die unumstößliche Überzeugung eines verborgenen

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