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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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verzeiht er es Dir noch, Du warst ja wirklich nur zwei Minuten weg. Berufe Dich nur ruhig auf mich, daß Du mich um Vertretung gebeten hast. Davon daß Du mich vertreten hast rede lieber nicht, laß Dir raten, mir kann ja nichts geschehn, ich hatte Erlaubnis, aber es ist nicht gut von einer solchen Sache zu reden und sie noch in diese Angelegenheit zu mischen, mit der sie nichts zu tun hat. " "Es ist das erstemal gewesen, daß ich meinen Posten verlassen habe", sagte Karl. "Das ist immer so, nur glaubt man es nicht", sagte der Junge und lief zu seinem Lift, da sich Leute näherten. Karls Vertreter, ein etwa vierzehnjähriger Junge, der offenbar mit Karl Mitleid hatte, sagte: "Es sind schon viele Fälle vorgekommen, in denen man solche Sachen verziehen hat. Gewöhnlich wird man zu andern Arbeiten versetzt. Entlassen wurde soviel ich weiß wegen einer solchen Sache nur einer. Du mußt Dir nur eine gute Entschuldigung ausdenken. Auf keinen Fall sag, daß Dir
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    plötzlich schlecht geworden ist, da lacht er Dich aus. Da ist schon besser, Du sagst, ein Gast hat Dir irgend eine eilige Bestellung an einen andern Gast aufgegeben und Du weißt nicht mehr, wer der erste Gast war und den zweiten hast Du nicht finden können. " "Na", sagte Karl, "es wird nicht so schlimm werden", nach allem was er gehört hatte, glaubte er an keinen guten Ausgang mehr. Und wenn selbst diese Dienstversäumnis verziehen werden sollte, so lag doch drin im Schlafsaal noch Robinson als seine lebendige Schuld und es war bei dem galligen Charakter des Oberkellners nur zu wahrscheinlich, daß man sich mit keiner oberflächlichen Untersuchung begnügen und schließlich doch Robinson noch aufstöbern würde. Es bestand wohl kein ausdrückliches Verbot, nach dem fremde Leute in den Schlafsaal nicht mitgenommen werden durften, aber dies bestand nur deshalb nicht, weil eben unausdenkbare Dinge nicht verboten werden.

    Als Karl in das Bureau des Oberkellners eintrat, saß dieser gerade bei seinem Morgenkaffee, machte einmal einen Schluck und sah dann wieder in ein Verzeichnis, das ihm offenbar der gleichfalls anwesende oberste Hotelportier zur Begutachtung überbracht hatte. Es war dies ein großer Mann, den seine üppige reichgeschmückte Uniform – noch auf den Achseln und die Arme hinunter schlängelten sich goldene Ketten und Bänder –
    noch breitschultriger machte, als er von Natur aus war. Ein glänzender schwarzer Schnurrbart, weit in Spitzen ausge zogen so wie ihn Ungarn tragen, rührte sich auch bei der schnellsten Kopfwendung nicht. Im übrigen konnte sich der Mann infolge seiner Kleiderlast überhaupt nur schwer bewegen und stellte sich nicht anders, als mit seitwärts eingestemmten Beinen auf, um sein Gewicht richtig zu verteilen.

    Karl war frei und eilig eingetreten, wie er es sich hier im Hotel angewöhnt hatte, denn die Langsamkeit und Vorsicht, die
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    bei Privatpersonen Höflichkeit bedeutet, hält man bei Liftjungen für Faulheit. Außerdem mußte man ihm auch nicht gleich beim Eintreten sein Schuldbewußtsein ansehn. Der Oberkellner hatte zwar flüchtig auf die sich öffnende Türe hingeblickt, war dann aber sofort zu seinem Kaffee und zu seiner Lektüre zurückgekehrt, ohne sich weiter um Karl zu kümmern. Der Portier aber fühlte sich vielleicht durch Karls Anwesenheit gestört, vielleicht hatte er irgend eine geheime Nachricht oder Bitte vorzutragen, jedenfalls sah er alle Augenblicke bös und mit steif geneigtem Kopf nach Karl hin, um sich dann wenn er offenbar seiner Absicht entsprechend mit Karls Blicken zusammengetroffen war, wieder dem Oberkellner zuzuwenden.
    Karl aber glaubte, es würde sich nicht gut ausnehmen, wenn er jetzt, da er nun schon einmal hier war, das Bureau wieder verlassen würde, ohne vom Oberkellner den Befehl hiezu erhalten zu haben. Dieser aber studierte weiter das Verzeichnis und aß zwischendurch von einem Stück Kuchen, von dem er hie und da, ohne im Lesen innezuhalten, den Zucker abschüttelte.
    Einmal fiel ein Blatt des Verzeichnisses zu Boden, der Portier machte nicht einmal einen Versuch es aufzuheben, er wußte daß er es nicht zustandebrächte, es war auch nicht nötig, denn Karl war schon zur Stelle und reichte das Blatt dem Oberkellner, der es ihm mit einer Handbewegung abnahm, als sei es von selbst vom Boden aufgeflogen. Die ganze kleine Dienstleistung hatte nichts genützt, denn der Portier hörte auch weiterhin mit seinen bösen Blicken nicht auf.

    Trotzdem war Karl gefaßter als

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