Der Verschollene
besonderer Genugtuung auf sie und schnalzte zu Karl hinauf. "Siehst Du Roßmann", sagte Robinson, während er Sardine nach Sardine herunterschlang und hie und da die Hände vom Öl an einem Wolltuch reinigte, das offenbar Brunelda auf dem Balkon vergessen hatte. "Siehst Du Roßmann, so muß man sich sein Essen aufheben, wenn man nicht verhungern will. Du, ich bin ganz bei Seite geschoben. Und wenn man immerfort als Hund behandelt wird denkt man schließlich man ists wirklich. Gut, daß Du da bist, Roßmann, ich kann wenigstens mit jemandem reden. Im Haus spricht ja niemand mit mir. Wir sind verhaßt.
Und alles wegen der Brunelda. Sie ist ja natürlich ein prächtiges Weib. Du – " und er winkte Karl zu sich herab um ihm zuzuflüstern – "ich habe sie einmal nackt gesehn. Oh!" – und in der Erinnerung an diese Freude fieng er an, Karls Beine zu drücken und zu schlagen, bis Karl ausrief: "Robinson Du bist ja verrückt", seine Hände packte und zurückstieß.
"Du bist eben noch ein Kind, Roßmann", sagte Robinson, zog einen Dolch, den er an einer Halsschnur trug, unter dem Hemd hervor, nahm die Dolchkappe ab und zerschnitt die harte Wurst.
"Du mußt noch viel zulernen. Bist aber bei uns an der richtigen Quelle. Setz Dich doch. Willst Du nicht auch etwas essen. Nun vielleicht bekommst Du Appetit, wenn Du mir zuschaust.
Trinken willst Du auch nicht Du willst aber rein gar nichts. Und gesprächig bist Du gerade auch nicht besonders. Aber es ist ganz gleichgültig, mit wem man auf dem Balkon ist, wenn nur überhaupt jemand da ist. Ich bin nämlich sehr oft auf dem Balkon. Das macht der Brunelda solchen Spaß. Es muß ihr nur etwas einfallen, einmal ist ihr kalt, einmal heiß, einmal will sie
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schlafen, einmal will sie sich kämmen, einmal will sie das Mieder öffnen, einmal will sie es anziehn und da werde ich immer auf den Balkon geschickt. Manchmal tut sie wirklich das was sie sagt, aber meistens liegt sie nur so wie früher auf dem Kanapee und rührt sich nicht. Früher habe ich öfters den Vorhang so ein wenig weggezogen und durchgeschaut, aber seitdem einmal Delamarche bei einer solchen Gelegenheit – ich weiß genau daß er es nicht wollte, sondern es nur auf Bruneldas Bitte tat – mir mit der Peitsche einige Male ins Gesicht geschlagen hat – siehst Du den Striemen? – wage ich nicht mehr durchzuschauen. Und so liege ich dann hier auf dem Balkon und habe kein Vergnügen außer dem Essen. Vorgestern als ich da abend so allein gelegen bin, damals war ich noch in meinen eleganten Kleidern die ich leider in Deinem Hotel verloren habe
– diese Hunde! reißen einem die teuern Kleider vom Leib! – als ich also da so allein gelegen bin und durch das Geländer heruntergeschaut habe, war mir alles so traurig und ich habe zu heulen angefangen. Da ist zufällig ohne daß ich es gleich bemerkt habe, die Brunelda zu mir herausgekommen in dem roten Kleid – das paßt ihr doch von allen am besten –, hat mir ein wenig zugeschaut und hat endlich gesagt: 'Robinsonerl, warum weinst Du?' Dann hat sie ihr Kleid gehoben und mir mit dem Saum die Augen abgewischt. Wer weiß, was sie noch getan hätte, wenn da nicht Delamarche nach ihr gerufen hätte und sie nicht sofort wieder ins Zimmer hätte hine ingehn müssen.
Natürlich habe ich gedacht, jetzt sei die Reihe an mir und habe durch den Vorhang gefragt ob ich schon ins Zimmer darf. Und was meinst Du, hat die Brunelda gesagt? ' Nein! ' hat sie gesagt und 'was fällt Dir ein?' hat sie gesagt. "
"Warum bleibst Du denn hier, wenn man Dich so behandelt?"
fragte Karl.
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"Verzeih, Roßmann, Du fragst nicht sehr gescheit", antwortete Robinson. "Du wirst schon auch noch hier bleiben und wenn man Dich noch ärger behandelt. Übrigens behandelt man mich gar nicht so arg. "
"Nein", sagte Karl, "ich gehe bestimmt weg und womöglich noch heute abend. Ich bleibe nicht bei Euch. "
"Wie willst Du denn z. B. das anstellen, heute abend wegzugehn" fragte Robinson, der das Weiche aus dem Brot herausgeschnitten hatte und sorgfä ltig in dem Öl der Sardinenbüchse tränkte. "Wie willst Du weggehn, wenn Du nicht einmal ins Zimmer hineingehn darfst. "
"Warum dürfen wir denn nicht hineingehn?"
"Nun solange es nicht geläutet hat dürfen wir nicht hineingehn", sagte Robinson, der mit möglichst weit geöffnetem Mund das fette Brot verspeiste, während er mit einer Hand das vom Brot herabtropfende Öl auffieng, um von Zeit zu Zeit das noch übrige Brot in diese als
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