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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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sich dann bei völligem Verstande schnell und richtig entschließen zu können.

    Aber Brunelda hatte schon Karls vor Müdigkeit groß aufgerissene Augen, die sie schon einmal erschreckt hatten, bemerkt und rief: "Delamarche, ich halte es vor Hitze nicht aus,
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    ich brenne, ich muß mich ausziehn, ich muß baden, schick die zwei aus dem Zimmer, wohin Du willst, auf den Gang, auf den Balkon, nur daß ich sie nicht mehr sehe. Man ist in seiner eigenen Wohnung und immerfort gestört. Wenn ich mit Dir allein wäre, Delamarche. Ach Gott, sie sind noch immer da! Wie dieser unverschämte Robinson sich da in Gegenwart einer Dame in seiner Unterkleidung streckt. Und wie dieser fremde Junge, der mich vor einem Augenblick ganz wild angeschaut hat, sich wieder gelegt hat um mich zu täuschen. Nur weg mit ihnen, Delamarche, sie sind mir eine Last, sie liegen mir auf der Brust, wenn ich jetzt umkomme, ist es ihretwegen. "

    "Sofort sind sie draußen, zieh Dich nur schon aus", sagte Delamarche, gieng zu Robinson hin und schüttelte ihn mit dem Fuß, den er ihm auf die Brust setzte. Gleichzeitig rief er Karl zu:
    "Roßmann, aufstehn! Ihr müßt beide auf den Balkon! Und wehe Euch wenn Ihr früher hereinkommt, ehe man Euch ruft! Und jetzt flink, Robinson" – dabei schüttelte er Robinson stärker –
    "und Du Roßmann, gib Acht, daß ich nicht auch über Dich komme" – dabei klatschte er laut zweimal in die Hände. "Wie lang das dauert! " rief Brunelda auf dem Kanapee, sie hatte beim Sitzen die Beine weit auseinandergestellt, um ihrem übermäßig dicken Körper mehr Raum zu verschaffen, nur mit größter Anstrengung, unter vielem Schnaufen und häufigem Ausruhn, konnte sie sich soweit bücken um ihre Strümpfe am obersten Ende zu fassen und ein wenig herunterzuziehn, gänzlich ausziehn konnte sie sie nicht, das mußte Delamarche besorgen auf den sie nun ungeduldig wartete.

    Ganz stumpf vor Müdigkeit war Karl von dem Haufen heruntergekrochen und gieng langsam zur Balkontüre, ein Stück Vorhangstoffes hatte sich ihm um den Fuß gewickelt und er schleppte es gleichgültig mit. In seiner Zerstreutheit sagte er sogar, als er an Brunelda vorübergieng: "Ich wünsche gute
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    Nacht" und wanderte dann an Delamarche vorbei, der den Vorhang der Balkontüre ein wenig beiseite zog auf den Balkon hinaus. Gleich hinter Karl kam Robinson wohl nicht minder schläfrig, denn er summte vor sich hin: "Immerfort maltraitiert man einen! Wenn Brunelda nicht mitkommt, gehe ich nicht auf den Balkon. " Aber trotz dieser Versicherung gieng er ohne jeden Widerstand heraus, wo er sich, da Karl schon in den Lehnstuhl gesunken war, sofort auf den Steinboden legte.

    Als Karl erwachte war es schon Abend, die Sterne standen schon am Himmel, hinter den hohen Häusern der
    gegenüberliegenden Straßenseite stieg der Schein des Mondes empor. Erst nach einigem Umherschauen in der unbekannten Gegend, einigem Aufatmen in der kühlen erfrischenden Luft wurde sich Karl dessen bewußt wo er war. Wie unvorsichtig war er gewesen, alle Ratschläge der Oberköchin, alle Warnungen Thereses, alle eigenen Befürchtungen hatte er vernachlässigt, saß hier ruhig auf dem Balkon des Delamarche und hatte hier gar den halben Tag verschlafen, als sei nicht hier hinter dem Vorhang Dela marche, sein großer Feind. Auf dem Boden wand sich der faule Robinson und zog Karl am Fuße, er schien ihn auch auf diese Weise geweckt zu haben, denn er sagte: "Du hast einen Schlaf Roßmann! Das ist die sorglose Jugend. Wie lange willst Du denn noch schlafen. Ich hätte Dich ja noch schlafen lassen, aber erstens ist es mir da auf dem Boden zu langweilig und zweitens habe ich einen großen Hunger. Ich bitte Dich steh ein wenig auf, ich habe da unten im Sessel drin etwas zum Essen aufgehoben, ich möchte es gern herausziehn. Du bekommst dann auch etwas." Und Karl, der aufstand, sah nun zu, wie Robinson, ohne aufzustehn, sich auf den Bauch herüberwälzte und mit ausgestreckten Händen unter dem Sessel eine versilberte Schale hervorzog, wie sie etwa zum Aufbewahren von Visitkarten dient. Auf dieser Schale lag aber eine halbe ganz schwarze Wurst, einige dünne Cigaretten, eine geöffnete aber
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    noch gut gefüllte und von Öl überfließende Sardinenbüchse und eine Menge meist zerdrückter und zu einem Ballen gewordener Bonbons. Dann erschien noch ein großes Stück Brot und eine Art Parfümflasche, die aber etwas anderes als Parfum zu enthalten schien, denn Robinson zeigte mit

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