Der Verschollene
die Treppe hinauf. "Wir sind gleich oben", sagte Delamarche einigemale während des Treppensteigens, aber seine Voraussage wollte sich nicht erfüllen, immer wieder setzte sich an eine Treppe eine neue in nur unmerklich veränderter Richtung an. Einmal blieb Karl sogar stehn, nicht eigentlich vor Müdigkeit, aber vor Wehrlosigkeit gegenüber dieser Treppenlänge. "Die Wohnung liegt ja sehr hoch", sagte Delamarche, als sie weitergiengen, "aber auch das hat seine Vorteile. Man geht sehr selten aus, den ganzen Tag ist man im Schlafrock, wir haben es sehr gemütlich. Natürlich kommen in diese Höhe auch keine Besuche herauf." "Woher sollten denn die Besuche kommen", dachte Karl.
Endlich erschien auf einem Treppenabsatz Robinson vor einer geschlossenen Wohnungstür und nun waren sie angelangt; die Treppe war noch nicht einmal zu Ende sondern führte im Halbdunkel weiter, ohne daß irgendetwas auf ihren baldigen Abschluß hinzudeuten schien. "Ich habe es mir ja gedacht", sagte Robinson leise, als bedrückten ihn noch Schmerzen,
"Delamarche bringt ihn! Roßmann, was wärest Du ohne Delamarche! " Robinson stand in Unterkleidung da und suchte sich nur so weit als es möglich war in die kleine Bettdecke einzuwickeln, die man ihm aus dem Hotel occidental mitgegeben hatte, es war nicht einzusehn, warum er nicht in die Wohnung gieng statt hier vor möglicherweise
vorüberkommenden Leuten sich lächerlich zu machen. "Schläft sie?" fragte Delamarche. "Ich glaube nicht", sagte Robinson,
"aber ich habe doch lieber ge wartet, bis Du kommst. " "Zuerst müssen wir schauen ob sie schläft", sagte Delamarche und beugte sich zum Schlüsselloch. Nachdem er lange unter
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verschiedenartigen Kopfdrehungen hindurchgeschaut hatte, erhob er sich und sagte: "Man sieht sie nicht genau, das Rouleau ist heruntergelassen. Sie sitzt auf dem Kanapee, vielleicht schläft sie." "Ist sie denn krank?" fragte Karl, denn Delamarche stand da, als bitte er um Rat. Nun aber fragte er in scharfem Tone zurück: "Krank?" "Er kennt sie ja nicht", sagte Robinson entschuldigend.
Ein paar Türen weiter waren zwei Frauen auf den Korridor getreten, sie wischten die Hände an ihren Schürzen rein, sahen auf Delamarche und Robinson und schienen sich über sie zu unterhalten. Aus einer Tür sprang noch ein ganz junges Mädchen mit glänzendem blondem Haar und schmiegte sich zwischen die zwei Frauen, indem es sich in ihre Arme einhängte.
"Das sind widerliche Weiber", sagte Delamarche leise, aber offenbar nur aus Rücksicht auf die schlafende Brunelda,
"nächstens werde ich sie bei der Polizei anzeigen und werde für Jahre Ruhe von ihnen haben. Schau nicht hin", zischte er dann Karl an, der nichts Böses daran gefunden hatte, die Frauen anzuschaun, wenn man nun schon einmal auf dem Gang auf das Erwachen Bruneldas warten mußte. Und ärgerlich schüttelte er den Kopf, als habe er von Delamarche keine Ermahnungen anzunehmen, und wollte, um dies noch deutlicher zu zeigen, auf die Frauen zugehn, da hielt ihn aber Robinson mit den Worten
"Roßmann, hüte Dich" am Ärmel zurück und Delamarche, schon durch Karl gereizt, wurde über ein lautes Auflachen des Mädchens so wütend, daß er mit großem Anlauf Arme und Beine werfend auf die Frauen zueilte, die jede in ihre Tür wie weggeweht verschwanden. "So muß ich hier öfters die Gänge reinigen", sagte Delamarche, als er mit langsamen Schritten zurückkehrte; da erinnerte er sich an Karls Widerstand und
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sagte: "Von Dir aber erwarte ich ein ganz anderes Benehmen, sonst könntest Du mit mir schlechte Erfahrungen machen. "
Da rief aus dem Zimmer eine fragende Stimme in sanftem müdem Tonfall: "Delamarche?" "Ja", antwortete Delamarche und sah freundlich die Tür an, "können wir eintreten?" "0 ja", hieß es und Delamarche öffnete, nachdem er noch die zwei hinter ihm Wartenden mit einem Blick gestreift hatte, langsam die Tür.
Man trat in vollständiges Dunkel ein. Der Vorhang der Balkontüre – ein Fenster war nicht vorhanden – war bis zum Boden herabgelassen und wenig durchscheinend, außerdem aber trug die Überfüllung des Zimmers mit Möbeln und
herumhängenden Kleidern viel zur Verdunkelung des Zimmers bei. Die Luft war dumpf und man roch geradezu den Staub, der sich hier in Winkeln, die offenbar für jede Hand unzugänglich waren angesammelt hatte. Das erste was Karl beim Eintritt bemerkte, waren drei Kästen, die knapp hintereinander aufgestellt waren.
Auf dem Kanapee lag die Frau, die
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