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Der versunkene Wald

Titel: Der versunkene Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Rouzé
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geben hier herum; man sieht überall ihre Spuren.“
    Sie beschäftigten sich noch eine ganze Weile damit, die Mauern ihrer Fischerei zu erhöhen. Als sie etwa vierzig Zentimeter hoch waren, hielt Raymond das für ausreichend.
    „Jetzt könnten wir, solange wir auf Fisch und Braten warten müssen, mit der Vorspeise anfangen“, sagte er. „Suzanne, du bist ja Spezialistin dafür: Hilf uns Herzmuscheln suchen!“ Daran war glücklicherweise kein Mangel. Zwei nahe beieinander liegende kleine Löcher im Sand zeigten sie an. Wenn man einen Finger in den Sand steckte, schloß sich das Muscheltier fest ein und spuckte dabei zornig. Aber es war gefangen. Man brauchte nur noch die Schalen zu öffnen und sie auszuschlürfen; keiner beklagte sich darüber, wenn dabei ein bißchen knirschender Sand zwischen die Zähne kam. Die Meerkatzen schluckten so lange Muschelfleisch in sich hinein, bis das Leeregefühl, das ihnen den Magen zusammenschnürte, ein wenig besänftigt war.
    „Raymond!“ rief Jacques auf einmal. „Wo sind wir?“
    „Was ist denn mit dir los? Du weißt es doch: auf Tombelaine.“
    „Aber wo ist die Insel?“
    Sie hatten eine Dummheit begangen. Beim Muschelsuchen waren sie zu weit auf den Sand hinausgegangen. Weder die Fischerei noch das Inselmassiv überhaupt waren mehr zu erkennen.
    „Wir gehen einfach in einem großen Halbkreis zurück“, schlug Suzanne vor. „Dann müssen wir die Insel ja finden.“
    „Nein“, rief Raymond, „das wäre viel zu gefährlich. Wartet!“
    Er legte die Hände zum Sprachrohr vor den Mund und stieß ein fürchterliches: „Urra-a-uh!“ aus, das vom Nebel verschluckt wurde.
    „Wen rufst du eigentlich?“ fragte Jacques. „Bildest du dir ein, daß hier noch andere Meerkatzen Spazierengehen?“
    Raymond gab keine Antwort. Er machte eine Wendung und stieß von neuem den Ruf aus. Dieses Mal vernahmen sie einen Widerhall, als sei der Ruf auf etwas anderes als nur dunstige Leere gestoßen.
    „Dort ist die Insel“, sagte Raymond. „Der Felsen gibt den Schall zurück.“
    Wirklich waren sie kaum zwanzig Meter vom Ufer entfernt. Das kleine Abenteuer diente ihnen zur Warnung. Im übrigen gab es am Fuße der Klippe genauso viele Muscheln. Aber trotz ihres Hungers schmeckten sie ihnen allmählich nicht mehr.
    So schlenderten sie rund um die Insel weiter; von Dauerlauf war nicht mehr die Rede.
    Sie trafen auf einige einzelne Felsblöcke, die zu der Klippe gehört haben mochten und vom Meer bis hierher geschoben worden waren. Vor einem solchen Block blieb Raymond stehen.
    „Kinder“, verkündete er, „ich glaube, wir haben unser Mittagmahl.“
    „Sollen wir vielleicht den Stein da auf essen?“ fragte Suzanne.
    „Nein, aber das Tier, das daruntersteckt. Seht selber: unter dem Stein muß eine Art Kellerloch sein; da ist der Eingang.“
    „Ja“, sagte Suzanne, „wahrscheinlich ist das Loch voll von leeren Muscheln und Schalen von grünen Taschenkrebsen und Kieselsteinen. Lauter solches Zeug liegt ja auch draußen herum.“
    „Eben nicht!“ sagte Raymond. „Man merkt, daß ihr noch nie auf Kraken Jagd gemacht habt. Wo eine Höhle unter einem Stein ist und davor solche künstlerische Anordnung von Muscheln, Krebsresten und Kieseln, da kann man wetten, daß darin ein Tintenfisch haust. In dieser Art dekorieren sie ihre Haustür.“
    „Tintenfische sind doch furchtbar gefährlich?“ fragte Jean.
    „Sie tun einem gar nichts!“
    „Aber ich habe doch eine Geschichte gelesen, in der ein Mann mit so einem Ungeheuer kämpfte …“
    „Ich kann mir schon denken: die ,Travailleurs de la Mer‘ von Victor Hugo. Gilliatt, der Held, kämpft einen wilden Kampf mit einem riesigen Tintenfisch. Das Ganze spielt am Ärmelkanal auf einer Felseninsel. Es ist eine prachtvolle Geschichte, aber Victor Hugo hatte viel Phantasie. In Wirklichkeit sind hier bei uns und auch am Mittelmeer die Tintenfische ganz ungefährlich. Nur Krustentiere müssen sich vor ihnen in acht nehmen, denn die vertilgen sie in Mengen.“
    „Ist es denn nicht wahr, daß sie mit den Saugnäpfen an ihren Armen dem Menschen das Blut aussaugen?“
    „Das ist ein Märchen. Mit den Saugnäpfen klammern sie sich an den Felsen fest oder packen ihre Beute. Wenn sie dich natürlich beim Arm erwischen, dann ist das nicht gerade angenehm, besonders wenn du nicht darauf gefaßt bist. Aber wenn wir uns unterhalten wollen, müssen wir ein bißchen weiter weg gehen. Der Tintenfisch bekommt sonst Angst und wird sich hüten, aus

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