Der versunkene Wald
Nur von Brombeeren können wir nicht lange leben.“
„Ich habe nicht die Absicht, euch umkommen zu lassen und mich mit.“
„Aber wovon sollen wir leben?“
„Von der Jagd und vom Fischfang.“
„Fein!“ riefen Jacques und Jean hingerissen. „Bloß —: Wir haben nichts, um zu jagen und zu fischen.“
„Dann werden wir uns eben so helfen müssen. Zuerst versuchen wir einmal, ein Kaninchen zu erwischen. Auch wenn es verboten ist. Kein Gendarm kann uns aufschreiben. Es gibt außer uns auf Tombelaine keine Menschen, und hier gilt jetzt einzig und allein das Gesetz der Meerkatzen. Weiß einer von euch, wie man Schlingen legt?“
„Ich“, sagte Pierre. „Ich habe es mal von einem Gärtner gelernt. Nur — woraus soll ich die Schlingen machen?“ Raymond stellte den Tornister auf einen Felsblock und holte einen kleinen Beutel heraus.
„Da habe ich Nylonschnur zum Angeln. Fest ist sie. Geht es damit?“
„ Ausgezeichnet. “
„Gut, dann geh und lege deine Schlingen. Einen Kaninchenbau wirst du sicher bald finden. Die anderen bleiben zum Fischfang bei mir. Treffpunkt ist unser Lagerplatz.“
„Und wenn wir uns verlieren?“
„Meerkatzen finden sich überall. Wozu haben wir unsern Erkennungsruf? Tombelaine ist ja nicht gerade groß. Wenn du früher fertig bist als wir, kommst du hierher zurück. Bei uns geht es auch sofort los.“
„In Ordnung! Bis nachher!“
Pierre steckte die Nylonschnur in die Tasche, wandte sich zum Klippenpfad zurück und verlor sich im Nebel. Sie hörten ihn von weitem ein Marschlied pfeifen.
„So, und jetzt wir!“ sagte Raymond. „Hättet ihr Appetit auf Fisch zum Abendessen?“
„Zum Abendessen? Das ist noch lange hin“, fand Suzanne. „Kann es den Fisch nicht vielleicht schon zum Mittag geben?“
„Du hast es ein bißchen zu eilig damit. Die Fische kommen bekanntlich nur mit der Flut. Außerdem wird es ganz schön dauern, bis wir unsere Fischerei fertig haben werden.“
„Eine Fischerei? Was ist das?“
„Nanu, das weißt du nicht? Und ihr beiden, habt ihr auch noch keine gesehen?“
„Natürlich!“ rief Jean. „Die ganze Küste entlang von Carolles bis Granville gibt es Fischereien. Das sind Becken, die in den Sand hineingebaut werden, mit drei Wänden aus glatten Steinen. An der Landseite ist keine Mauer. Wenn die Flut zurückgeht, bleibt die Fischerei voll Wasser. Dann machen die Fischer zur Meerseite hin eine Art Tor auf, das Wasser fließt ab, und die Fische fangen sich in einer Reuse, die vor den Ausgang gespannt ist.“
„Richtig!“ sagte Jacques. „Ich hab’ einmal bei einem Fischer mein Krabbennetz an den Ausfluß halten dürfen. Da gab es eine Menge von kleinen Fischen, die nicht in der Reuse hängenblieben, weil deren Maschen ziemlich grob sind. Die Fischer sind mehr auf große Fische aus. Ich hab’ damals vier Pfund Bratfisch nach Hause gebracht!“
„Genug geschwatzt!“ unterbrach Suzanne. „An die Arbeit! Womit sollen wir bauen? Wir brauchen viereckige Steine. Sonst schwimmen uns die Fische durch die Ritzen davon. Es sei denn, ihr hättet den Ehrgeiz, einen Wal zu erwischen …“
„Der wäre eher lästig“, meinte Raymond. „Wir haben keine viereckigen Steine, dafür gibt es genug andere hier unten bei der Klippe. Wir schichten sie auf, so gut es geht, und wenn mehrere Schichten übereinanderliegen, stützen wir sie mit größeren Steinen ab. Das Ganze verkitten wir mit Sand. Ein paar Fische werden uns wohl davonschwimmen, aber es werden schon noch genug übrigbleiben.“
Die Arbeit kam schnell in Gang. In nächster Nähe fand sich eine kleine Einbuchtung, wo eine Menge angeschwemmte Steine lagen, die sich von einem Schieferfelsen gelöst hatten. Sie waren platt wie Bretter und die Ränder nur wenig abgerundet.
Nach zweistündigem Mühen hatte ihre Fischerei Form angenommen. Natürlich hatte sie keinen allzugroßen Umfang, noch würde sie die Jahre überdauern wie die Fischereien rund um die Bucht.
Plötzlich tauchte Pierre unangekündigt aus dem Nebel auf. „Man hört euch arbeiten“, erklärte er, „so habe ich euch gleich gefunden.“
„Wie steht es mit deiner Jagd? Hast du ein Kaninchen?“ fragte Suzanne. „Mein Magen krampft sich zusammen, wenn ich nur daran denke.“
„Geduld! Man soll das Fell des Hasen nicht verkaufen, ehe man ihn hat. Ich habe einen Kaninchenbau nach dem anderen gefunden und ein Dutzend Schlingen gelegt. Hoffentlich tun die lieben Tiere uns den Gefallen hineinzugehen. Es muß viele
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