Der Vierte Tag
sogar ein paar Cent für die Bevölkerung übrigbleiben. Die dreizehn Prozent jedenfalls, die Saddam davon den Kurden abgeben muß, reichen dort hinten und vorne nicht. Die würden ohne den Ölschmuggel in die Türkei verhungern! So kam die Idee auf, Medikamente zu sammeln, bei uns in der Klinik und bei niedergelassenen Kollegen, die kostenlosen Ärztemuster zum Beispiel. Das war der Anfang. Später kamen ausrangierte OP-Instrumente dazu, schließlich unsere ausgemusterte Röntgenanlage. Zusätzlich haben wir fleißig Geldspenden eingeworben.«
Ich sah keinen Grund zu erwähnen, daß uns die vorschriftsmäßige Entsorgung der alten Röntgenanlage in Deutschland einige Hunderttausend Euro gekostet hätte.
»Aber dies hätten Sie doch alles einer erfahrenen Hilfsorganisation wie dem Roten Kreuz übergeben können. Die machen so etwas schließlich andauernd.«
»Da war Celine strikt dagegen. Selbst wenn alles korrekt läuft, argumentierte sie, versickert bei diesen Organisationen zuviel in der Verwaltung. Zusätzlich verdienen bei dieser Methode eine Menge Leute an abgelaufenen Lebensmittelkonserven oder ausrangierten Bundeswehrzelten. Der Rest verschwindet schließlich vor Ort.«
»Trotzdem, so einen Transport quer durch Europa zu organisieren und ihn dann noch selbst anzuführen ...«
»Das hat auch mir überhaupt nicht gefallen, aber hierzu hatte Celine ebenfalls eine dezidierte Auffassung. Sie meinte, die großen Hilfsorganisationen würden häufig dieselben Leute beauftragen, die sonst die illegalen Waffentransporte durchführen oder Drogen durch die Gegend karren. Sie kennen Frau Bergkamp nicht. Als sie sich zu Fahrstunden für den LKW-Führerschein angemeldet hatte, war klar, daß sie die Sache durchziehen und niemand sie davon würde abhalten können.«
»Aber ich habe Bilder gesehen, daß zum Beispiel das Rote Kreuz solche Konvois auch selber durchführt.«
»Und die Funktionäre dieser humanitären Organisationen überwachen dann vor Ort alles weitere vom Barhocker aus, Zutritt für örtliche Bevölkerung tabu.«
Ich hatte diese Leute letztes Jahr auf einer Ärztetagung in Nairobi erlebt, bei der natürlich auch wir Mediziner in einem entsprechenden Luxusschuppen residiert hatten.
»Und woher kamen die Lastwagen für den eigenen Konvoi?«
Schmunzelnd erinnerte ich mich an die sogenannten Transportmittel, die Celine und Heiner ursprünglich vorgesehen hatten: ausgediente Transporter von der Paketpost, von irgendwelchen Freunden zu Wohnwagen oder rollenden Imbißbuden umgebaut.
»Wie weit, meint ihr, kommt ihr mit diesen Rostlauben?«
»Hast du was Besseres?«
»Laß mal überlegen.«
So kam ich auf Herrn Sommer.
»Wir sind auch an die Industrie wegen Spenden herangetreten, Pharmafirmen, Firmen für medizinische Geräte, unsere Zulieferer eben. Zu der Zeit hatte die Klinik gerade den Auftrag für eine Neuinstallation der Gasversorgung in der Chirurgie zu vergeben, neue Leitungen und Pumpen für Sauerstoff, Druckluft, Narkosegase und so weiter. Natürlich war das kein offizielles Junktim, aber die Firma Sommer, eine der führenden Firmen auf dem Gebiet in Deutschland, hat den Auftrag bekommen – und uns zwei ihrer Firmenlastwagen kostenlos überlassen. Dazu hat Herr Sommer noch eine komplette Trinkwasseraufbereitungsanlage für Kurdistan spendiert! Die haben wir diesmal allerdings nur zur Hälfte mitbekommen, der Rest wartet auf die nächste Fuhre.«
Vielleicht war es mein Schmunzeln, jedenfalls fand es Kollege Waldeck an der Zeit, sich wieder in die Vernehmung einzuschalten.
»Ein Menschenfreund, dieser Herr Sommer, was?«
»Das weiß ich nicht. Jedenfalls ein guter Geschäftsmann. Darüber hinaus war ihm bekannt, daß die Klinik in naher Zukunft eine neue Abwasseraufbereitung braucht. So etwas macht seine Firma auch.«
»Wer hat den anderen LKW gefahren?«
Keine gute Frage, was mich persönlich betraf.
»Ein Freund von Celine aus der ProAsyl-Gruppe.«
Freund Heiner eben, den Celine zunehmend häufig als Autorität zitiert hatte, wenn wir verschiedener Meinung waren. Freund Heiner war spurlos im Irak verschwunden, nicht einmal ein Sarg bisher.
Waldeck, dem bei dem Begriff »Asyl« oder »ProAsyl« jeweils ein leichtes Zucken der Unterlippe das Gesicht kurz entstellte, kehrte wieder den »bösen Bullen« heraus.
»Dr. Hoffmann, Sie tischen uns hier die herzzerreißende Geschichte von den selbstlosen Helfern auf, die hier alles stehen und liegen lassen, ihren Beruf, ihre Freunde, nur um
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