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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Kommissar darauf verzichtete, unter solch förmlichen und feierlichen Umständen seinen Fuß wieder in die Brigade zu setzen.
    Clémentine war da, in ihrem schönsten geblümten Kleid, begleitet von Josette in Kostüm und Turnschuhen. Clémentine, Zigarette im Mundwinkel, fühlte sich außerordentlich wohl und hatte ihren Brigadier Gardon wiedergefunden, der ihr irgendwann mal netterweise ein Kartenspiel geliehen hatte, das hatte sie nicht vergessen. Die zarte Hackerin, die unbezahlbare Gesetzlose, die in die Welt der Bullen eingedrungen war, wich Clémentine nicht von der Seite, ihr Champagnerglas mit beiden Händen haltend. Danglard hatte auf vorzügliche Qualität des Champagners geachtet und Unmengen davon bestellt, als wollte er diesen Abend mit Vollkommenheit tränken und ihm so feine Bläschen hinzusetzen, daß sie ihn wie erstklassige Moleküle durchsprudelten. Für ihn bestand das Feierliche dieses Augenblicks weniger in der Überreichung seines Rangabzeichens als im Ende von Adamsbergs Leiden.
     
    Da erschien der Kommissar ganz unauffällig in der Tür, und eine Sekunde lang war Danglard verstimmt, weil er nicht einmal seine Uniform angezogen hatte. Gleich darauf begriff er seinen Irrtum, als er sah, wie der Mann zögernd durch die Menge schritt. Dieser Typ dort mit dem schönen braunen Gesicht und den knochigen Zügen war nicht Jean-Baptiste, sondern Raphaël Adamsberg. Der Capitaine begriff, wie Retancourts Plan unter den Augen der Cochs von Gatineau hatte funktionieren können. Er wies Sanscartier auf ihn hin.
    »Da ist er«, sagte er. »Der Bruder. Der gerade mit Violette Retancourt spricht.«
    »Verstehe, daß er die Kollegen antrotteln konnte«, meinte Sanscartier grinsend.
    Der Kommissar, die Mütze auf der Tonsur, folgte ihm wenig später. Clémentine taxierte ihn ungeniert.
    »Drei Kilo hat er zugenommen, meine Josette«, sagte sie mit Stolz auf das vollbrachte Werk. »Steht ihm gut, der blaue Anzug, sehr hübsch.«
    »Jetzt, da er keine Riegel mehr sprengen muß, werden wir nicht mehr gemeinsam durch unsere verborgenen Kanäle spazieren«, meinte Josette mit Bedauern.
    »Gräm dich nicht. Die Bullen haben doch von Berufs wegen dauernd Ärger am Hals. Der hat mit den Spaziergängen noch längst nicht aufgehört, das kannst du mir glauben.«
    Adamsberg umarmte seinen Bruder und sah sich um. Letztlich sagte es ihm sehr zu, so in die Brigade zurückzukehren, da er auf diese Weise gleich die geballte Ladung seiner Offiziere und Brigadiere vor sich hatte. In zwei Stunden wäre alles vorbei, Wiedersehen, Fragen, Antworten, Aufregungen und Worte des Dankes. Diese Prozedur war doch sehr viel einfacher als ein langsamer Rundgang von Mann zu Mann, von Büro zu Büro, in vertraulichem Gedankenaustausch. Er ließ Raphaëls Arme los, sandte Danglard ein Zeichen des Einverständnisses und trat zu dem offiziellen Paar, das Brézillon und Laliberté bildeten.
    »Hey, Mensch«, sagte Laliberté zu ihm und klopfte ihm auf die Schulter. »Ich lag ja fürstlich daneben, total aufm Holzweg. Nimmsta meine Entschuldigung an? Dafür, daß ich dich wie einen verfluchten Killer gejagt hab?«
    »Du hattest ja alles, um es zu glauben«, sagte Adamsberg lächelnd.
    »Ich hab mit deinem Boß gerade über das Probenmaterial gesprochen. Euer Labor hat Überstunden geschunden, damit heute abend alles abgeschlossen werden konnte. Dieselben Haare, Mensch. Die von deinem Esti von Teufel. Ich wollt’s ja nicht glauben, aber du lagst richtig. Ein Spitzenjob.«
    Verunsichert durch Lalibertés hemdsärmelige Art, drückte Brézillon, ganz das altehrwürdige Frankreich in seiner Uniform, Adamsberg steif die Hand.
    »Erfreut, Sie am Leben zu sehen, Kommissar.«
    »Du hast mich aber trotzdem ganz schön angetrottelt, als du mit einem Knitts einfach so auf und davon bist«, unterbrach ihn Laliberté und hieb Adamsberg heftig auf die Schulter. »Um Klartext zu sprechen, ich muß sagen, daß ich mich schwarzgeärgert habe.«
    »Kann ich mir vorstellen, Aurèle. Du hast ja kein Hintertürchen.«
    »Keine Sorge, ich bin nicht mehr sauer. Right? Es war deine einzige Möglichkeit, deine Ansichten durchzubringen. Für einen Wolkenschaufler denkst du ganz schön clever.«
    »Kommissar«, unterbrach Brézillon. »Favre ist nach Saint-Etienne versetzt worden, unter Aufsicht. Keine weiteren Folgen, was Sie betrifft, ich habe mich der Auffassung angeschlossen, daß es simple Einschüchterung war. Aber glauben tu ich etwas anderes. Der Richter hatte

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