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Der Wachsblumenstrauß

Der Wachsblumenstrauß

Titel: Der Wachsblumenstrauß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nicht erinnern, wo das war. Ich bin durch das ganze Land gereist.«
    »Auf der Suche nach einem geeigneten Haus für Ihre Flüchtlinge?«
    »Ja. Man muss so vieles bedenken, verstehen Sie. Der Preis – die Lage – ob es zum Umbau geeignet ist.«
    »Ich nehme an, Sie werden im Haus viel umbauen lassen? Lauter schreckliche Zwischenwände.«
    »In den Schlafräumen sicherlich. Aber die meisten Zimmer im Erdgeschoss werden wir nicht antasten.« Er brach ab, ehe er fortfuhr: »Stimmt es Sie traurig, Madame, dass Ihrem alten Familienhaus eine solche Zukunft bevorsteht – dass Ausländer hier leben werden?«
    »Aber natürlich nicht.« Susan wirkte belustigt. »Ich finde es eine ausgezeichnete Idee. So wie das Haus jetzt ist, kann doch kein Mensch hier wohnen. Und ich bin nicht sentimental, was das Haus angeht. Schließlich ist es nicht mein Zuhause. Meine Eltern lebten in London. Wir sind nur manchmal zu Weihnachten hergekommen. Ehrlich gesagt habe ich es immer ziemlich scheußlich gefunden – ein Tempel des Wohlstands, fast schon unanständig.«
    »Heute sehen die Altäre anders aus. Es gibt die Einbaumöbel, die indirekte Beleuchtung, die teure Schlichtheit. Aber der Wohlstand kennt noch immer seine Tempel, Madame. Wie ich höre – ich hoffe, ich bin nicht indiskret –, planen Sie selbst ein solches Bauwerk? Alles de luxe – ohne Kosten zu scheuen?«
    Susan lachte.
    »Ein Tempel wird es kaum werden – nur ein Geschäft.«
    »Möglicherweise ist der Name nicht von Bedeutung… Aber es wird viel Geld kosten – das ist die Wahrheit, nicht wahr?«
    »Heute ist alles sündhaft teuer. Aber ich glaube, die Investition wird sich bezahlt machen.«
    »Erzählen Sie mir ein wenig mehr von Ihren Plänen. Es überrascht mich, dass eine schöne, junge Frau so praktisch veranlagt sein sollte, so tüchtig. In meinen jungen Jahren – das war vor langer Zeit, ich gebe es zu – dachten schöne Frauen nur an ihr Vergnügen, an Kosmetik, an la toilette.«
    »Frauen denken noch immer viel an ihr Äußeres – das ist meine Chance.«
    »Erzählen Sie mir davon.«
    Und sie hatte ihm von ihrem Vorhaben erzählt – in allen Einzelheiten, mit denen sie unbewusst viel über sich selbst preisgab. Er staunte über ihren Geschäftssinn, die Umsicht, mit der sie plante und alle Details bedachte. Sie machte gute, kühne Pläne, für die sie alle Nebensächlichkeiten beiseite wischte. Vielleicht war sie sogar ein wenig rücksichtslos – wie alle, die kühne Pläne haben.
    »Doch, Sie werden Erfolg haben«, hatte er gesagt. »Sie werden es zu etwas bringen. Welch ein Glück, dass Sie nicht, wie so viele andere, durch Geldmangel behindert sind. Ohne Anfangskapital kommt man nicht weit. So viele kreative Ideen zu haben und durch fehlende Mittel eingeschränkt zu werden – das wäre unerträglich gewesen.«
    »Ich hätte es nicht ertragen! Aber ich hätte das Geld irgendwie zusammenbekommen – oder jemanden gefunden, der mich unterstützt.«
    »Ah, natürlich! Ihr Onkel, dem dieses Haus gehörte, war vermögend. Selbst wenn er nicht gestorben wäre, hätte er Sie doch, wie man bei Ihnen sagt, gesponsert.«
    »Nein, das hätte er nicht. Onkel Richard war etwas altmodisch, was Frauen betraf. Wenn ich ein Mann gewesen wäre…« Ein zorniger Ausdruck zog über ihr Gesicht. »Ich habe mich sehr über ihn geärgert.«
    »Ich verstehe – ja, ich verstehe…«
    »Die Alten sollten der Jugend nicht im Weg stehen. Ich… oh, Verzeihung.«
    Hercule Poirot lachte unbekümmert und zwirbelte seinen Schnurrbart.
    »Ich bin alt, ja. Aber ich behindere die Jugend nicht. Es gibt niemanden, der auf meinen Tod zu warten braucht.«
    »Ein schrecklicher Gedanke.«
    »Aber Sie sind Realistin, Madame. Lassen Sie uns doch eingestehen, dass die Welt voller junger – oder auch nicht mehr ganz so junger – Menschen ist, die nur geduldig oder ungeduldig auf den Tod eines Menschen warten, dessen Ableben ihnen zu Wohlstand verhilft – oder zumindest zu einer Chance.«
    »Eine Chance!« Susan seufzte tief. »Mehr braucht man nicht.«
    Poirot hatte den Blick ein wenig schweifen lassen und sagte jetzt munter: »Und hier kommt Ihr Mann, um sich unserem kleinen Kreise anzuschließen… Wir sprechen gerade über Chancen, Mr Banks. Über die wunderbaren Chancen – die man mit beiden Händen ergreifen muss. Wie weit darf man gehen, ohne sein Gewissen zu verraten? Dürfen wir Ihre Ansicht dazu erfahren?«
    Aber es war ihm nicht beschieden, Gregory Banks’ Ansichten über

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