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Der Wachsblumenstrauß

Der Wachsblumenstrauß

Titel: Der Wachsblumenstrauß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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davor, allein im Haus von Mr Timothy Abernethie zu bleiben, als er und seine Frau hierher kommen wollten.«
    Miss Gilchrist sah ihn schuldbewusst an. »Ich schäme mich sehr deswegen. Eigentlich war es sehr dumm von mir. Irgendwie hat mich Panik befallen – und ich weiß nicht, warum.«
    »Aber natürlich wissen Sie, warum. Sie waren gerade von einem hinterhältigen Giftanschlag genesen…«
    An dieser Stelle seufzte Miss Gilchrist tief und sagte, das ginge über ihren Verstand hinaus. Aus welchem Grund sollte irgendjemand sie vergiften wollen?
    »Aber das liegt auf der Hand, chère Madame. Weil dieser Verbrecher, dieser Mörder glaubte, Sie würden etwas wissen, das zu seiner Verhaftung durch die Polizei führen könnte.«
    »Aber was sollte ich denn schon wissen? Ein schrecklicher Landstreicher oder ein Halbverrückter.«
    »Wenn es ein Landstreicher war. Mir kommt das unwahrscheinlich vor…«
    »Oh, bitte, Monsieur Pontarlier…« Unversehens wurde Miss Gilchrist erregt. »Sagen Sie solche Dinge nicht. Ich möchte es nicht glauben müssen.«
    »Was möchten Sie nicht glauben müssen?«
    »Ich möchte nicht glauben müssen, dass es kein… ich meine… dass es…«
    Verwirrt brach sie ab.
    »Und trotzdem glauben Sie es«, warf Poirot verständnisvoll ein.
    »Nein, das stimmt nicht! Das ist nicht wahr!«
    »Ich glaube aber doch. Und das ist der Grund, warum Sie Angst haben… Sie haben immer noch Angst, ist es nicht wahr?«
    »O nein, nein, nicht, seitdem ich hier bin. Hier sind so viele Leute. Eine richtige Familienatmosphäre. O nein, hier ist alles ganz normal.«
    »Mir kommt es vor… verzeihen Sie meine Neugier, ich bin ein alter Mann, ein wenig gebrechlich, und verbringe einen Großteil meiner Zeit mit müßigen Überlegungen zu Dingen, die mein Interesse geweckt haben –, mir kommt es so vor, als müsste in Stansfield Grange etwas Bestimmtes vorgefallen sein, das Ihre Angst sozusagen aufflackern ließ. Die Ärzteschaft ist heute einer Meinung darüber, dass vieles in unserem Unterbewusstsein abläuft.«
    »Ja, ja… ich weiß, dass sie das behaupten.«
    »Und ich glaube, Ihre unterbewussten Ängste wurden durch ein kleines Ereignis ausgelöst, etwas vielleicht völlig Unwesentliches, das aber – sagen wir, als Katalysator fungierte.«
    An dieser Theorie schien Miss Gilchrist großen Gefallen zu finden.
    »Da haben Sie sicher Recht«, sagte sie.
    »Und was, glauben Sie denn, war dieses – dieses kleine Ereignis?«
    Miss Gilchrist überlegte eine Weile. »Wissen Sie, Monsieur Pontarlier«, erklärte sie dann unvermittelt, »ich glaube, es war die Nonne.«
    Bevor Poirot eine weitere Frage stellen konnte, betraten Susan und ihr Mann den Raum, gefolgt von Helen.
    »Eine Nonne…«, dachte Poirot. »Wo habe ich in all den Gesprächen schon einmal von einer Nonne gehört?«
    Er beschloss, im Verlauf des Abends das Gespräch auf Nonnen zu lenken.

Neunzehntes Kapitel
     
    D ie Familie verhielt sich sehr höflich gegenüber Monsieur Pontarlier, dem Vertreter der UNARCO. Es war sehr geschickt von ihm gewesen, lediglich die Initialen zu erwähnen.
    Alle hatten UNARCO als gegeben hingenommen – hatten sogar so getan, als wüssten sie über die Organisation genau Bescheid.
    Wie sehr es Menschen doch widerstrebte, ihre Unwissenheit einzugestehen!
    Nur Rosamund war verwundert gewesen. »Aber was ist das denn genau?«, hatte sie gefragt. »Ich habe noch nie davon gehört.« Zum Glück war zu dem Zeitpunkt niemand anders im Raum gewesen. Poirot hatte die Organisation mit so gewichtigen Worten beschrieben, dass jeder außer Rosamund sich geschämt hätte zuzugeben, noch nie von dieser bekannten internationalen Institution gehört zu haben. Doch Rosamund hatte nur gesagt: »Ach! Schon wieder Flüchtlinge. Ich bin diese ewigen Flüchtlinge leid!«, und damit die Ansicht vieler wiedergegeben, die aber meist zu sehr auf Anstand hielten, um ihre Meinung ehrlich zu äußern.
    Somit war Monsieur Pontarlier mittlerweile akzeptiert – ein Störenfried zwar, aber belanglos, sozusagen ein fremdländisches Dekorationsobjekt. Allgemein herrschte die Ansicht vor, Helen hätte vermeiden sollen, dass er ausgerechnet an diesem Wochenende nach Enderby kam, aber da er nun einmal hier war, musste man das Beste daraus machen. Zum Glück schien dieser merkwürdige kleine Ausländer kaum Englisch zu sprechen. Oft verstand er nicht, was man ihm sagte, und wenn alle durcheinander redeten, wirkte er völlig verloren. Offenbar galt sein Interesse

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