Der wahre Hannibal Lecter
Durchdringend ist sein Blick. Der Mann strahlt unvorstellbare Kälte aus, und man versteht die Opfer nicht, die sich diesem Killer in Weiß anvertraut haben.
Ältere Frauen, von denen man annimmt, dass sie über genug Lebenserfahrung verfügen, haben nur ein Urteil über diesen Mann abzugeben: »Er hat sich immer um uns gekümmert, wenn wir mal Schmerzen hatten. Aber nicht nur bei körperlichen Gebrechen, auch wenn unsere Seele krank war, hatte er ein offenes Ohr.«
Keine dieser Frauen erkannte die Hinterhältigkeit Shipmans.
Sie waren froh, einen Menschen gefunden zu haben, der ihnen zuhört. Dabei wollte Shipman nur wissen, ob es bei den älteren Frauen etwas zu erben gab. Aus diesem Grunde nahm er sich Zeit für die Witwen des Landes. Die Frauen, die über Immobilienbesitz verfügten, interessierten ihn ganz besonders.
Glaubte er daran, dass von den alten Damen etwas zu holen sei, verlor er alle Hemmungen. Nun galt es für ihn, an ihr Vermögen zu kommen. Das war aber nur über ihren Tod möglich. Shipman löste das Problem mit einer kleinen Injektion.
Meist starben die alten Damen plötzlich und unerwartet, oft nach einer Routineuntersuchung, wie bei den Müttern von Helen Blackwell, Betty Clayton und Breda Hurst.
Doktor Shipman sitzt in strengster Einzelhaft. Er ist in einer Spezialzelle mit gläserner Tür untergebracht. Wie die Boulevardzeitung SUN berichtet sind vor der Glastür seines Käfigs stets Wachen postiert, die ihn rund um die Uhr beobachten, sogar dann, wenn er zur Toilette geht.
Ein Insider verrät: »Es herrscht große Besorgnis, dass er versuchen könnte, sich umzubringen. Denn offensichtlich wird ihm langsam klar, dass er niemals mehr freikommen wird.
Ursprünglich sollte Shipman zunächst einige Zeit in einem Gefängnis in Manchester verbringen, bis endgültig entschieden wird, wo er seine Haftstrafe verbüßen muss. Er wurde aber schon nach wenigen Tagen nach Frankland verlegt als zwei Wärter enthüllten, dass ihre Mütter mutmaßliche Opfer von Shipman sind.
Shipman selbst hat sich bereits über die Verlegung beklagt.
Er sagte, er sei unglücklich, weil seine Frau und seine vier Kinder jetzt noch weiter reisen müssten, um ihn besuchen zu können.«
Seit der Verurteilung zu »15 Mal lebenslänglich« schweigt der inhaftierte Mediziner. Eiskalt blicken seine grauen Augen durch die goldene Brille. Sein gepflegter grauer Vollbart und seine gewählte Sprache verleihen ihm noch immer den Anschein der Seriosität.
Im Januar 2001 legte der berühmte Professor Richard Baker von der Universität in Leicester ein von der englischen Regierung in Auftrag gegebenes Gutachten über das Wirken des Dr. Shipman vor. In dessen 26-jähriger ärztlicher Laufbahn gab es demnach 521 Todesfälle. Alle diese Todesfälle hat Shipman in fein säuberlich geführten Unterlagen penibel dokumentiert.
Der als Familiendoktor bekannte Arzt hat zwischen den Jahren 1974 bis 1998 vor allem ältere Damen in den Tod geschickt. Meistens verabreichte er ihnen eine Überdosis Diamorphin, ein starkes Beruhigungsmittel.
Seine medizinischen Diagnosen, meist Infarkt oder Thrombose, ließen die nichtsahnenden Angehörigen nicht misstrauisch werden, obwohl die Patientinnen ihrer Einschätzung nach nicht selten kerngesunde Frauen mit einer hohen Lebenserwartung waren. Shipman verstand es, die Angehörigen seiner Opfer glauben zu machen, alles wäre nur ein Zusammentreffen unglücklicher Umstände. Niemand schöpfte Verdacht. Zu beliebt und geachtet war dieser Arzt, zu positiv waren die Berichte all seiner Patientinnen immer gewesen.
Auch seine Frau Primrose sah in ihm den aufopfernden Vater ihrer Kinder und fürsorglichen Landarzt. Sie glaubt noch immer nicht den Untersuchungsberichten Prof. Bakers, der eindeutig feststellte, dass Shipmans Todesrate erheblich höher liegt als die seiner ebenfalls überprüften Kollegen. Die erstellte Statistik zeigt weiter auf, dass in der Regel bei 80 Prozent der Toten die Familienangehörigen den Kranken in den letzten Minuten begleiteten. Bei Dr. Shipman waren es 40 Prozent!
Dr. Shipman war bei 20 Prozent seiner Patienten persönlich am Totenbett, seine Kollegen waren nur bei 0,8 Prozent ihrer Todesfälle selbst anwesend. In den übrigen Fällen starben seine Patienten innerhalb von 30 Minuten nach seinem letzten Hausbesuch.
Die in Großbritannien zuständige Behörde »CORONER«, die die Todesfälle in Arztpraxen amtlich zu bestätigen hat, hatte nie einen Verdacht geschöpft. Nur
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