Der wahre Hannibal Lecter
Cocktails mixte, bekamen körbeweise Fanpost. Den meisten seiner Fans schickte er bis zu seiner Hinrichtung selbst gemalte Zeichnungen und Bilder. Außerdem ist in Amerika ein Kartenspiel auf dem Markt mit Fotos der berüchtigtsten Serien-und Massenmörder, mit der jeweiligen Zahl ihrer Morde und
* Anm.: Charles Manson war Oberhaupt einer satanischen Killersekte aus Kalifornien. Ihr berühmtestes Opfer war Sharon Tate, die hochschwangere Lebensgefährtin des weltberühmten Regisseurs Roman Polanski.
einer detaillierten Beschreibung ihrer Vorgehensweise. So werden Serienmorde banalisiert und kommerzialisiert. Und keiner spricht von den Opfern.«
Vielleicht hat die verantwortliche Justizbehörde der Strafanstalt von Wakefield dieses Interview mit Robert K.
Ressler, einem der bedeutendsten Kriminalisten der USA, gelesen. Der heute 60-jährige Ressler schuf die Abteilung für Verhaltungsforschung beim FBI und leitete jahrelang eine Sondereinheit der Bundespolizei zur Ergreifung von Gewalt-verbrechern. Ressler war es, der den Begriff des Serientäters prägte.
Sonderkommissionen auf der ganzen Welt lassen sich von Ressler beraten, wenn nach einem Serientäter gesucht wird.
Mittels Tatortspuren fertigt er ein minutiöses Psychogramm des Mörders – so genau, als habe er den Täter persönlich gekannt.
Dank seiner überaus präzisen Analysen konnten zahlreiche Serienmörder gefasst und dingfest gemacht werden.
Inzwischen kann er bereits Wesentliches über einen Täter allein aus Tatortfotos und Polizeiprotokollen ersehen: ob ein Täter schwarz oder weiß, dick oder dünn ist, ob er intelligent ist oder nicht. Er ist auf der ganzen Welt, nicht nur in Amerika, ein gefragter Mann. Egal, ob in Japan oder Österreich ein Serienkiller gesucht wird – Ressler weiß Rat, wie und wo man den Täter suchen und ergreifen kann. Seine Erfolge haben sich längst auf der ganzen Welt herumgesprochen.
»Ressler«, so berichtet einer der höchsten Beamten des FBI heute, »ist kein Wahrsager oder Phantast, er ist ein Realist.«
Nicht nur Robert Maudsley
Robert John Maudsley ist nicht der einzige Serientäter Europas, der zur Zeit im Gespräch ist. Seit Beginn des Jahres 2000 sitzt in Großbritannien ein weiterer Täter der besonderen Art ein. Ein Mann, der ebenfalls in die Annalen der Serienmörder eingehen wird. Es ist Dr. med. Harold Shipman, ein 55-jähriger Akademiker, verheiratet und Vater von vier Kindern. Dr. Shipman, ein Landarzt, der bei seinen Patienten äußerst beliebt war, wurde wegen 15-fachen Mordes verurteilt.
Seit 1977 praktizierte der Humanmediziner in Hyde, einem Vorort von Manchester. Die Polizei ermittelt in diesem Kriminalfall der Extraklasse nicht mehr weiter. Man vermutet, dass sich die Zahl der Opfer auf 345 erhöhen könnte. Die TIMES nennt ihn in einem ihrer Artikel den »britischen Dr. Mengele«.
»Der abscheulichste und größte Dr. med. Frauenkiller aller Zeiten«, überschreibt ein anderes Blatt seinen Bericht. Eine große Gazette mutmaßt: »Wahrscheinlich der größte Serienkiller unseres Jahrhunderts.«
»Keine spektakulären Blutszenen, keine entstellten Leichen, kein erkennbares Motiv. Was sollen wir darüber berichten?«, meint ein bekannter deutscher Chefredakteur. »Es zählt nicht die Vielzahl der Opfer, es zählt der Nervenkitzel.«
Menschenverachtend und listig funkelt der Blick des mörderischen Arztes durch die Goldbrille. Eiskalt und berechnend sind seine Augen. Furcht kommt auf, wenn man Dr. Shipman gegenübersitzt. Sein Gesicht wird durch einen grauen Vollbart verhüllt. Sein gepflegtes Erscheinungsbild hat nicht nur die Patienten beeindruckt. Auch im Knast gibt er sich als Akademiker. Er spricht nicht mit den Mitgefangenen. Er lebt in seiner eigenen Welt hinter den Mauern des Grauens.
Ein süffisantes Lächeln umgibt seine Lippen. Er wirkt überlegen. Jedem Besucher, den er empfängt, zeigt er, dass er etwas Besonderes ist. Offensichtlich glaubt er noch immer, er sei Herr über Leben und Tod. Und noch immer genießt er die Ansprache seiner Person als Doktor. Er legt großen Wert auf diese Anrede, obwohl ihm der Titel »Dr. hc. des Todes« besser stehen würde.
Die Vollzugsbeamten haben Hemmungen vor diesem gebildeten Mann. Zu gewählt versteht er es, sich auszudrücken, seine Wünsche zu äußern – und davon hat er genügend.
Ständig verlangt er ein Ende seines Exils. Er fordert ein Ende der Qualen, die man ihm »ungerechterweise« zufügt, wie er immer betont.
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