Der wahre Hannibal Lecter
begann man in England erneut an hafterleichternden Maßnahmen zu arbeiten. Geplant wurde u.a. ein Verbot von Strafdiensten sowie die allgemeine Schulung von jungen Straffälligen. Maßnahmen zur Vorbeugung von Straftaten wurden beschlossen. Arrest und Untersuchungshaft wurden eingeführt. Nun gestattete man auch Erwachsenen einen generellen Hofgang.
In Wakefield wurde ein Ausbildungscenter für das Gefängnispersonal eingerichtet Psychologen und Spezialisten wurden zur Betreuung der Gefangenen herangezogen. Das Essen durfte nun gemeinsam in Speisesälen eingenommen werden.
Die Reform der Strafpraxis im Hinblick auf eine sich ändernde Gesellschaft begann im Jahre 1959. Ziel war es, so viele straffällig gewordene Menschen wie möglich vor einem Rückfall in die Kriminalität zu bewahren. Jugendliche, die sich leichter Vergehen schuldig gemacht hatten, wurden nicht in Gefängnissen, sondern in speziellen Heimen untergebracht.
Das Personal wurde von nun an stärker in die Pflicht genommen.
1963 wurde eine Sonderunterbringung für geistig kranke Straftäter geschaffen. Man hatte erkannt, welchen Gefahren
»Kinderschänder und Frauenmörder« in den Strafanstalten ausgesetzt waren. Man tat alles, um diese Menschen so gut wie möglich zu schützen.
Das geschah sehr zum Ärger der Bevölkerung, die wenig Verständnis hatte, dass für die Sicherheit dieser Menschen Millionen von Steuergeldern ausgegeben wurden. Viele glaubten, die hohen Ausgaben dienten allein dazu, den Tätern ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Natürlich trug auch die Presse ihren Teil zu dieser Meinungsbildung bei.
1966 flüchtete der Spion George Blake aus dem Worm-wood-Scrubs-Gefängnis. Dadurch erlitten die Reformen einen herben Rückschlag. Die Bevölkerung des Landes und die Verantwortlichen stellten nun alle neuen Gefängnissysteme in Frage. Als Folge wurden bisher gewährte Freizügigkeiten enorm eingeschränkt. Fast alle Gefängnishöfe wurden von nun an mit Kameras überwacht. Scharfe Wachhunde wurden – vor allem nachts – eingesetzt. Viele der ehemals genehmigten Kontakte zur Außenwelt waren nicht mehr möglich. Für besonders gefährliche Gefangene wurden spezielle Sicherheits-bedingungen in den Zellen eingeführt. Viele der Häftlinge mit hohen Haftstrafen brachte man auf die als ausbruchsicher geltende Isle of Wight.
Erst in den 70er Jahren – nach mehreren Häftlingsrevolten und Aufständen – sollten sich die Reformen wieder durchsetzen. In die Gefängnisse wurde nun kräftig investiert. In speziellen Kursen konnten sich die Häftlinge auf die Zeit nach der Haft, auf das Überleben »da draußen« vorbereiten. Ferner schuf man ein breites Spektrum an Sportmöglichkeiten, man förderte die Behebung des Analphabetismus und die soziale Arbeit.
1979 kam ein Untersuchungsausschuss zu der Erkenntnis, dass das Personal mehrerer Gefängnisse unzulänglich ausgebildet sei und dementsprechend schlecht arbeite. Eine bessere Ausbildung des Personals sowie eine Neuorganisation der Verwaltung wurde beschlossen. Man begann mit einer konsequent durchgeführten Resozialisierung, die den Häftling schrittweise auf die Entlassung und die Zeit danach vorbereitete. Pädagogische Maßnahmen sollten die Wiederein-gliederung in die Gesellschaft erleichtern. Dass dies jedoch nur begrenzt möglich sein würde, erkannte man sehr bald. Gegen die Einflüsse der Gefängniskultur anzusteuern erwies sich als äußerst schwierig; die Verrohung der meisten Häftlinge war einfach zu groß.
Robert Johns Kindheit
Menschenunwürdig scheinen auf den ersten Blick die Vollzugsregeln des wegen vierfachen Mordes verurteilten Täters mit der Gefangenennummer 467637 in der englischen Strafanstalt Wakefield.
Die Figur, die der Schriftsteller Thomas Harris erfand, deren Verbrechen und Leben im Gefängnis er minutiös beschrieb, ähnelt diesem Täter auf beklemmende Weise. Er ist es, den die Journalisten als den »wahren Hannibal Lecter« bezeichneten.
Im Folgenden wird die wahre, auf Tatsachen beruhende Geschichte eines Mannes erzählt, der zum Auswuchs des Unvorstellbaren wurde. Vor über 25 Jahren wurde über seinen ersten Mord in allen Zeitungen Großbritanniens in großer Aufmachung berichtet. Dieser Mord ist in der Öffentlichkeit längst vergessen. Doch noch immer verbüßt er im Hochsicherheitsgefängnis in Wakefield seine Strafe. Sein Name: Robert John Maudsley.
Am 26. Juni 1953 wird Robert John in Liverpool geboren. Er ist eines von zwölf Kindern
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