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Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari F. Braenne
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Streichholz an. Eine schöne gelbe Flamme zischt auf. Er wirft das Streichholz ins Heidekraut.
    Das Feuer frisst sich durch die trockene Heide, breitet sich rasch nach allen Seiten aus. Er sieht die Flammen auf die Hütte zulaufen, sieht, wie sie die Wände erreichen. Gleich wird die Hütte auflodern. Er sieht, wie das Feuer ihn einkreist und ein Hosenbein erfasst. Als der Synthetikstoff auf der Haut schmilzt, schreit er kurz auf. Trotzdem weiß er: Die Schmerzen werden nicht stärker, als sie schon sind. Irgendwann kann es nicht noch mehr wehtun. Die Flammen werden das andere Feuer lindern. Es auslöschen. Ihn auslöschen. Er ist eine einzige Wunde, das Zentrum der Schmerzen. Er sieht, wie die Flammen an seinem Körper hinaufkriechen, über Schenkel und Bauch lecken, die behaarten Unterarme erfassen. Das Feuer zischt an seinem Ohr. Es nähert sich der Brust und dem Häufchen Streichhölzer.
     
    Sie gleitet vor ihm herab, im Gegenlicht. Sie steht da wie ein Engel. Ihr goldenes Haar schimmert. Was für eine Sonne du bist, mein Liebling. Es gab nur uns, gibt nur uns. Wir beide zusammen. Er streckt einen brennenden Arm nach ihr aus. Lächelt sie? Er lächelt zurück und schließt die Augen, und dann wird alles schwarz.

[zur Inhaltsübersicht]
    40
    Sie kommen nicht schnell voran. Jeder Schritt tut weh, und Robert muss achtgeben, wohin er seinen Fuß setzt. Hinkend bleibt er hinter Lukas zurück, der vorausläuft. Die mit Fichten bewachsene Böschung kommt Robert nur mit Mühe und Not hinauf, aber Lukas ist schnell oben und zeigt die Richtung an.
    «Nicht da lang, Papa. Hier! Hier liegt der tote Elch.»
    Robert überlässt sich dem Orientierungsvermögen des Jungen, das offensichtlich besser ist als seins. Sie überqueren den Heidehügel, gehen weiter durch das Birkenwäldchen, zwischen Weiden und Wacholder hindurch. Dort, wo sich der Blick wieder öffnet, liegt das Moor. Auf einer Anhöhe setzt Robert sich hin.
    «Muss mal kurz meinen Fuß ausruhen», sagt er.
    Er hebt das Bein, zieht Schuh und Strumpf aus. Das Gelenk ist nicht nur auf das Doppelte angeschwollen, es ist auch blau-lila. Robert holt sein Handy hervor, ein prüfender Blick. Immer noch kein Netz.
    Lukas schnuppert.
    «Was riecht denn hier so komisch, Papa?»
    Auch Robert schnuppert. «Es riecht verbrannt.»
    «Verbrannt?»
    «O Gott», sagt Robert und steht auf. Er bewegt sich in die Richtung, aus der sie gekommen sind.
    «Wir müssen nicht dort entlang, Papa! Nicht in die Richtung!»
    Sie brauchen nicht weit zu gehen, bis sie den Rauch sehen. Er treibt zwischen den Baumstämmen hindurch. Bald sehen sie auch den ersten Widerschein der Flammen.
    «Es brennt, Papa.»
    «Ja, Lukas.»
    «Ist das gefährlich?»
    «Sehr gefährlich.»
    «Der Mann ist noch da drinnen, oder?»
    «Verdammte Dreckskacke», murmelt Robert.
    «Sollen wir zurückgehen? Sollen wir ihn retten?»
    «Nein, das können wir nicht. Das schaffen wir nicht.»
    Robert steht da und starrt.
    «Dann komm», sagt Lukas und nimmt seine Hand. Er zieht ihn zurück über die Heide.
    Der Geruch ist jetzt viel stärker geworden. In diesem staubtrockenen Terrain bewegt sich das Feuer schnell. Es faucht über Heide und Reisig, fährt durch die Böschungen, hinein in die Wälder, es erfasst die Stämme, leckt an ihnen hoch, formiert sich blitzschnell und macht aus den grünen Baumkronen orangegelbe Feuer, die von einem Baum zum nächsten springen. Die Vögel singen nicht mehr, sondern sausen schreiend über sie hinweg, an ihnen vorbei. Robert ignoriert die Schmerzen in seinem Fuß. Sie laufen, so schnell sie können, sie laufen um ihr Leben, mit dem Feuer dicht auf den Fersen. Die Flammen huschen leichtfüßig über das trockene Heidekraut hinweg, ergreifen das Unterholz, breiten sich aus. Sie haben den Wind auf ihrer Seite. Lukas und Robert würgen und husten, laufen geduckt, das Gesicht dem Boden zugewandt. Wie eine glühend heiße, rotorange Wand verfolgt sie der Brand mit langen, fauchenden Feuerzungen, die alles, was sie erwischen, in Kohle verwandeln. Das Feuer brüllt. Robert bleibt stehen, dreht sich starr vor Schreck um. Jetzt ist es aus mit uns, denkt er. Sie sind gefangen, werden ersticken und verbrennen, zu Kohle und nichts werden.
    «Komm, Papa!», sagt Lukas und zerrt weinend an seinem Arm. «Komm!»
    Nur noch ein paar hundert Meter, und sie sehen die Schlucht. Sie bewegen sich hinein in diesen Raum, der immer tiefer wird. Diesmal hilft Lukas Robert über die Steine. Als sie sich dem tiefsten

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