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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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jetzt!« Taggart war zu einem Entschluss gekommen. Er steckte den Kopf aus der Kabinentür, wo ihm augenblicklich der Orkan den Kopf zur Seite riss, und schrie nach einem Läufer.
    Kurz darauf meldete sich John, ein klatschnasser Schiffsjunge, der kaum älter als vierzehn Jahre alt war. Taggart betrachtete missbilligend die Wasserbäche, die sich auf die Teppiche ergossen, sagte aber nichts.
    »Meine Empfehlung an Mister Whitbread, den
    Wundarzt. Er möge umgehend in die Kabine der jungen Lady kommen.«
    „Aye aye, Sir!« Der Junge drehte ab und wollte loslaufen. »Halt! Mister Whitbread soll sein chirurgisches Besteck mitbringen. Du bist mir persönlich dafür verantwortlich, dass er es nicht vergisst.«
    »Aye, aye, Sir!«

    Einige Zeit später erschien Jonathan Whitbread - und mit ihm eine mächtige Alkoholfahne. Rasch versuchte Taggart abzuschätzen, wie
    stark Whitbread dem
    Branntwein schon zugesprochen hatte. Ein betrunkener Chirurg nützte hier so viel wie gar keiner.
    »Ihr habt mich rufen lassen, Captain?«
    Gottlob, Whitbreads Zunge war nicht so schwer, dass er sich nicht ausreichend verständlich machen konnte. Seine Chirurgentasche hatte er ebenfalls bei sich, der Junge trug sie für ihn. Trotzdem war es ein nicht hinzunehmender Ungehorsam, dass er während des Dienstes Alkohol trank. Taggart musste an sich halten, um Whitbread, der immerhin Offizier war, nicht vor den Anwesenden abzukanzeln. Er schob den Gedanken beiseite. Was er jetzt brauchte, war ein Chirurg, der sein Fach wahrlich verstand. Und Whitbread tat das. Wenn er sich nicht gerade dem Alkohol widmete, war er ein Mediziner, der mit großem Geschick Stoß-, Hieb-und Splitterwunden versorgen konnte. Er hatte jahrelange Erfahrung im Richten von gebrochenen Knochen und verstand darüber hinaus einiges von der Urinschau. Aber wusste er auch etwas von der Anatomie einer Schwangeren? Taggart bezweifelte es. Trotzdem musste der Versuch gewagt werden.
    »Mister Whitbread, ich möchte, dass Ihr Euch diese junge Frau anseht und dafür sorgt, dass sie entbinden kann. Sie versucht seit Stunden, das Kind herauszupressen, aber irgendwie klappt es nicht. Das ist alles.«
    »Aber Sir, ich habe noch nie ...«
    »Das kann ich mir denken!«, unterbrach Taggart barsch. »Lasst Euch von Miss Bloomsdale einweisen und tut Eure Pflicht.« Es war immer gut, die Männer an ihre Pflicht zu erinnern. Es führte dazu, dass sie weniger darüber nachdachten, ob das, was sie tun sollten, richtig oder falsch war. Sie taten es einfach.
    »Ich verlasse mich auf Euch. Ich habe mich um das Schiff zu kümmern. Meine Damen, Mylord ...«
    Er verneigte sich und verließ die Kabine.
    Whitbread stand da und wusste kaum, wie ihm geschehen war. Eben noch hatte er in seiner Kammer gesessen und den Herrgott um besseres Wetter angefleht, wobei ihm ein Krug mit Brandy Gesellschaft geleistet hatte, jetzt fand er sich in einer Situation wieder, wie er sie noch nie hatte bestehen müssen. Seine Ausbildung, wenn man von einer solchen überhaupt sprechen konnte, hatte er in jungen Jahren im Süden Englands erfahren, genau genommen in Plymouth, wo anno 1539 ein privates Seemannshospital gegründet worden war. Dort hatte er zunächst als Mädchen für alles, später als Knochenschiener und Wundenvernäher gearbeitet. Weil er sich dabei geschickt angestellt hatte und sein Wissen im Laufe der Jahre immer größer geworden war, hatte man ihn eines Tages gefragt, ob er nicht als Wundchirurg auf einem Schiff Seiner Majestät fahren wolle. Der Sold und der Status eines Offiziers, der sich damit verband, hatten ihn gereizt, und er hatte zugesagt. Damals pflegte man noch nicht lange zu fragen, ob ein Schiffsarzt über ein anerkanntes Examen verfügte - wenn er nur sein Handwerk verstand.
    Und nun diese blasse Frau dort auf dem Kojenrand. Whitbreads Schädel schmerzte, die Gedanken brummten wie Fliegen in seinem Schädel. Abgesehen von der Tatsache, dass seine Erfahrungen mit dem weiblichen Genitalbereich sich nur auf die Tätigkeit beschränkten, die jedem Mann geläufig war, verbot ihm auch der Kodex eines Arztes, diesen näher in Augenschein zu nehmen. Andererseits musste er sich ein Bild von der Problematik machen.
    »Untersteht Euch, die junge Lady anzuschauen, geschweige denn anzufassen!« Miss Bloomsdale wollte weiteren Sittenverfall von vornherein im Keim ersticken. Sie schob ihren breiten Körper vor die Koje, sodass Whitbread die Sicht versperrt war. »Ihr könnt mir glauben, dass alles getan

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