Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition)
der anderen Männer murmelten zustimmend. »Ja, mag er bleiben, wo er ist«, pflichteten sie ihm bei. »Der
sardar
hat recht.«
Die Männer schleiften die Leichen ein kurzes Stück weiter und bestatteten sie jede für sich in zwei Türmen aus den sonnengeschwärzten Steinen, die in großer Zahl rings um das Wasserloch verstreut lagen. Sie benutzten Schlamm und Wasser, um die Türme zu verputzen, damit ihr Werk Bestand hätte und vor jedem, den es kümmerte, Zeugnis davon ablegen mochte, wie die Siahpads Beleidigungen ahndeten. Der Alte beteiligte sich nicht an der Bestattung, sondern schlenderte allein umher. Wohl aber hielt er an der Stelle inne, wo die Leichname gelegen hatten, und stand eine Zeitlang da.
Sobald die Männer fertig waren, saßen sie auf und ritten davon. Schon nach einer kurzen Strecke jedoch zügelte der Vater der toten Frau sein Kamel.
»Ich hätte den Jungen mitnehmen sollen«, sagte der ältere Mann und starrte, die Augen mit der Hand beschattend, in die Richtung des Wasserlochs.
»Der Tod wäre das Beste für seinesgleichen«, stieß der Schwiegersohn hervor. »Das Balg hat schlechtes Blut in sich.«
»Die Hälfte seines Blutes ist mein Blut. Das Blut der Häuptlinge dieses Stammes. Was meinst du mit schlechtem Blut?«
»Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe«, gab der Ehemann zurück. »Er hat schlechtes Blut. Es wird nichts Gutes aus ihm werden.«
Der
sardar
trieb sein Kamel an das des anderen Mannes heran, während die Übrigen ihn beobachteten. Er blickte um sich. »Lasst euch eines gesagt sein«, rief er laut aus. »Meine Tochter sündigte. Sie sündigte gegen die Gesetze Gottes und die unseres Stammes. Doch auch das sei euch gesagt. Als sie geboren wurde, war keine Sünde in ihr, noch als sie heranwuchs, noch als sie verheiratet wurde. Zur Sünde wurde sie nur getrieben, weil ich sie nicht mit einem Mann verheiratete!«
Er streckte seinem Schwiegersohn einen zitternden Finger entgegen. »Du weißt nur zu gut, was ich meine!«, donnerte er, während seine Gefühle plötzlich aus ihm hervorbrachen. »Heirate eine andere Frau, heirate so oft, wie du willst! Jede Einzelne von ihnen wird zur Sünde getrieben werden, aus Gründen, die dir wohl bewusst sind!«
Bei dieser Beleidigung, die ihm vor den Männern seines Stammes ins Gesicht geschrien wurde, verfinsterte sich das Gesicht des anderen vor Wut.
»Du hättest solche Dinge nicht sagen dürfen, alter Mann, und magst du auch unser Häuptling sein!«, schrie er, während er schnell sein Schwert zog und auf Gul Bibis Vater einhieb. Einmal, zweimal, dreimal holte er aus, und der Alte war schon tot, als er zuckend wie eine zerbrochene Puppe vom Sattel zu Boden glitt.
Nach seinem Tod zerstreute sich die Schar. Die Männer hielten sich nicht damit auf, den Leichnam ihres Häuptlings ordentlich zu bestatten, sondern ließen ihn lediglich mit einer dünnen Schicht Sand bedeckt zurück in der Hoffnung, dass der nahende Sandsturm ihn tiefer begraben würde. Ob erschrocken über das Böse, das sie mit angesehen hatten, oder aus Angst, in eine weitere Fehde hineingezogen zu werden, oder vielleicht ihrer jeweiligen Gesellschaft überdrüssig, ritten sie einfach hastig davon.
Am Wasserloch hatte der Junge, nachdem die Schar abgezogen war, zu zittern aufgehört. Er hatte seine Angst überwunden und saß jetzt zwischen den zwei Türmen und spielte mit einigen Steinen und Quarzkristallen. Zunächst hatte er versucht, ein paar Steine aus den Türmen herauszulösen, aber sie waren zu fest ineinander verkeilt, und seine Finger konnten nichts ausrichten.
Während die Sonne höher stieg, saß er ruhig da und beobachtete die Wolken von Sandflughühnern, die am Himmel erschienen. Schwarm um Schwarm landeten sie am Rand des Wasserlochs, tunkten ihre Schnäbel ins Wasser und flogen wieder hinauf in die Sonne. Ihre charakteristischen rollenden Rufe und das Schwirren unzähliger Flügel lenkten ihn ein wenig von dem Grauen ab, das er gerade erlebt hatte.
Dann war er völlig allein. Die Tausende von Vögeln, die ihm eine Weile Gesellschaft geleistet hatten, waren verschwunden. Ganz ohne etwas, das ihn zerstreut hätte, wurde er sich seines Durstes und Hungers bewusst. Eine Zeitlang versuchte er, ihm zu widerstehen, aber als die Stiche heftiger wurden, ging er schließlich zum Kamel und öffnete den Proviantbeutel. Er aß ein wenig, trank etwas Wasser und legte sich dann hin, an das tote Kamel geschmiegt, während der Sandsturm herankam.
Eine Frage der
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