Der Weg des Unsterblichen
mit ihnen gehandelt, er war nicht mit ihnen befreundet!«, stellte ich klar.
Meine Mutter, die mittlerweile wieder hinter der eckigen, dunkelbraunen Küchentheke stand, leckte sich Mayonnaise vom Finger. »Das macht überhaupt keinen Unterschied. Er hat mit Dämonen verkehrt und das ist ihm - zu Recht -zum Verhängnis geworden. Wir können wirklich froh sein, dass die Engel so gut auf uns aufpassen. Und trotzdem haben so viele Menschen nichts Besseres zu tun, als sich immer wieder in Gefahr zu begeben.«
Es ging mir wirklich auf die Nerven, dass alle Leute die Engel als das Non-Plus-Ultra ansahen, als unsere wahren, einzigen Retter. Ja, sie hattender Menschheit den einen oder anderen großen Gefallen getan. Aber dank der tausend Jahre, die sie mittlerweile auf dem Buckel hatten, und dank ihres ewigen Lebens waren wir nie mehr als Eintagsfliegen für sie. Eintagsfliegen, die sie wie Haustiere hielten. Ihnen war einfach langweilig und sie spielten gern, das war ihre einzige Motivation. Da war ich mir sicher.
»Was ist denn so schlimm an den Dämonen, dass die Engel uns vor ihnen beschützen müssen?«
Meine Mutter, die gerade den großen Teller mit den restlichen Burgern auf den Tisch stellte, hätte beinahe vor Schreck unser gesamtes Abendessen auf dem Boden verteilt. Entsetzt sah sie mich an. »Ist das dein Ernst, Noélia?«
Ich wusste, dass es besser wäre, einfach die Klappe zu halten, und wenn auch nur, um den Hausfrieden zu wahren. Aber aus irgendeinem Grund war ich heute voller trotziger Energie. »Ja, ist es.«
Meine Mutter richtete sich auf und blickte mich ernst an. »Man sollte wirklich meinen, dass das, was du im Unterricht lernst, alsAbschreckung reichen sollte. Du kannst froh sein, dass du in diese Zeit geboren wurdest und folglich noch nie einen Dämon gesehen hast.« Sie setzte sich und begann, nervös an den Fransen unserer grünkarierten Tischdecke herumzuspielen.
Auch Malu musterte sie nun neugierig, aber kein bisschen ängstlich. »Mami, wie sieht ein Dämon aus?«
»Du sollst essen und nicht reden!« Die Antwort meiner Mutter kam forsch und ich wusste genau, dass wir einen wunden Punkt getroffen hatten.
»Du hast genauso wie wir noch nie einen Dämon gesehen!«, brummte ich und steckte mir die letzte Gurkenscheibe meines Burgers in den Mund.
»Doch. Damals war ich selbst noch ein Kind.«
Ich hatte gar nicht mehr mit einer Antwort gerechnet, dementsprechend überrascht hob ich den Kopf. Meine Mutter starrte immer noch die Tischdecke an, fuhr die Linien sanft und langsam mit dem Fingernagel nach und knabberte nervös auf ihrer Unterlippe herum.
»Wie sah er aus, Mami?« Trotz ihres vor wenigen Minuten noch abnorm großen Hungers, ignorierte Malu den Haufen an Brötchen, Fleisch und Käse, der auseinandergepflückt auf ihrem Teller verstreut lag und blickte unsere Mutter gespannt an.
»Furchtbar.« Meine Mutter schloss kurz die Augen, scheinbar, um sich genauer erinnern zu können. »Genau so, wie man sich einen Dämon vorstellt. Er hatte furchtbare, lange Reißzähne, die ihm wie Messer aus dem Mund ragten. Und seine Augen … sie waren dämonisch gelb, und sie haben mich mit so einem Hass angefunkelt, dass ich danach wochenlang nicht schlafen konnte.«
Bei ihren Ausführungen musste ich schlucken, aber ich wollte auch keinesfalls von meinem Standpunkt abrücken. »Nur weil sie das Werkzeug dazu haben, heißt das noch lange nicht, dass sie uns auch töten wollen.«, protestierte ich deshalb, auch wenn es etwas kleinlaut klang.
Ein wütender Blick meiner Mutter traf mich. »Dein Vater hat auch immer so geredet und deswegen ist er jetzt tot!«
Ich zuckte erschrocken zusammen und merkte, wie in mir die gleiche Wut aufstieg, die bereits in ihren Augen funkelte. Langsam schüttelte ich den Kopf. Halt einfach die Klappe!, wollte mein Gehirn mir sagen, aber es hatte den Kampf gegen meinen Mund bereits verloren. »Die Engel haben ihn getötet, nicht die Dämonen!«
»ES REICHT!« Die Hand meiner Mutter knallte so schnell und hart auf den Holztisch, dass dieser erzitterte und wir erschrocken zusammenzuckten, als wären wir zwei Fliegen, nach denen sie gerade geschlagen hatte. Eine Sekunde lang war es so still in unserer Küche, wie es wahrscheinlich seit unserem Einzug noch nie gewesen war, dann legte meine Mutter das Gesicht in die Hände und stöhnte gequält auf.
Sofort spürte ich, wie meine Schultern nach unten sackten. Ich war bei Weitem nicht die Einzige, die auch nach acht Jahren
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