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Der Weg des Unsterblichen

Der Weg des Unsterblichen

Titel: Der Weg des Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lueck
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deiner Mutter gestritten hast?«
    Überrascht, dass er noch danach fragte, sah ich ihn an. Einen kurzen Moment dachte ich daran, wie meine Mutter mich angeschrien hatte, dann senkte ich den Blick. »Das übliche Thema. Mein Vater.«
    In Azriels goldenen Augen blitzten auf einmal Gefühle auf, die ich an ihm nur selten sah. Es lagtiefer Respekt darin, aber auch eine ganz eigene Art der Trauer. Doch so schnell, wie diese kleine Gefühlsregung gekommen war, hatte Azriel sie auch schon wieder vertrieben und es war wieder nur der sarkastische Zug um seine Mundwinkel zu sehen. »Lass mich raten, du hast mal wieder die Nerven verloren.«
    Ich brummte nur abwehrend, auch wenn ich wusste, dass ich ihm damit recht gab. Ich spürte, wie er mich von der Seite ansah und merkte, wie sich ein Frösteln durch meinen Körper bahnte. Schnell rieb ich mir wieder die von Gänsehaut überzogenen, nackten Arme und wünschte mir, dass ich eine Jacke mitgenommen hätte. Oder dass Azriel mir wenigstens seinen Pullover anbieten würde.
    »Wenn du nicht noch irgendwo einen Cheeseburger versteckt hast, würde ich mich langsam verabschieden. Überall dieses unsterbliche Gesindel ist mir doch etwas zu heiß.«
    Ich zuckte mit den Schultern und grinste. »Cheeseburger nicht, aber ich könnte dir ein paarsehr leckere Cupcakes anbieten, wenn du möchtest!«
    Seine Augen verengten sich zu Schlitzen und erinnerten in diesem Moment an eine Raubkatze auf Beutejagd. »Darauf falle ich ganz sicher nicht noch einmal herein.«
    »Auch gut.« Ich stand auf und klopfte mir Staub und Grasreste von den Klamotten. Ein prüfender Blick zeigte mir zu meiner Erleichterung, dass ich keine vor meiner Mutter schwer erklärbaren Grasflecke auf der dunklen Jeans hatte. Noch einmal ließ ich meinen Blick über die wunderschöne Aussicht und die glitzernden Lichtpunkte unter mir schweifen. »Ich muss eh langsam nach Hause, meine Mutter dreht durch, wenn ich zu spät heim komme. Und am Ende kommt sie vielleicht auf die dumme Idee, Monja anzurufen.« Eine Weile war ich unschlüssig, ob ich das, was ich im Moment dachte, wirklich sagen sollte. Ich sah hinunter auf Azriel, der seinen Kopf wieder unter der Kapuze versteckt hatte und jetzt mit gedankenverlorenem Blick aus seinen goldenen Augen in die Ferne starrte.
    »Pass ein bisschen auf, dass die Unsterblichen dich hier nicht aufgreifen, ja?«
    Er lachte, aber es klang mehr sarkastisch als amüsiert. »Du bist diejenige, die mit einem Dämon abhängt.«
    »Ja, ja.« Ich verdrehte die Augen und ging ein paar Schritte auf dem Weg zurück. Als ich mich noch einmal umdrehte, war Azriel bereits verschwunden. Ich seufzte und machte mich auf den Heimweg. Weg von dem Geheimnis, das ich nun seit zehn Jahren hütete.

3
    Es war laut Wetterdienst der letzte, warme Sommertag des Jahres, und ich stand mit Malu in dem kleinen Garten hinter unserem Haus. Schon als wir noch klein gewesen waren, hatten wir ihn geliebt, mit seinem weichen Rasen, den bunten Blumenbeeten zu jeder Seite und der weißen Hollywoodschaukel, die in dem einzigen, schattigen Plätzchen stand: direkt unter der dichten Krone eines alten Kirschbaumes.
    Malu sprang schon seit etwa zwanzig Minuten unermüdlich zwischen den Rasensprinklern hin und her. Der kleine Hund unserer Nachbarn, den wir des Öfteren zum Spielen bei uns hatten, wenn unser Nachbar in Ruhe seine Hecke schneiden wollte, tollte mit ihr herum, und die beiden schienen jede Menge Spaß zu haben. Manchmal wünschte ich mir, wieder so alt zu sein wie Malu - einfach die Freude an den kleinen Dingen des Lebens genießen zu können.
    “Aber die Zeiten sind für uns schon vorbei, was Bruno?” Ich tätschelte die gigantische Schnauze unseres braun-weißen Bernhardiner-Mischlings und er schlug ein paar Mal mit dem Schwanz gegen die gepflasterte Terrasse vor der Eingangstür unseres Hauses.
    Ich nahm den letzten Cupcake von dem weißen Plastik-Gartentisch und brach ihn in zwei Teile. Bruno hob den Kopf und hechelte, dass ihm an beiden Seiten der Speichel aus dem Maul tropfte. Ich seufzte und ließ ihn die eine Hälfte des Gebäcks von meiner Hand schlabbern. “Wenn Monja wüsste, dass du der Einzige bist der ihre Backkünste zu schätzen weiß, wäre sie bestimmt ziemlich deprimiert.”
    Ich tätschelte ihm noch einmal den Kopf, bevor mein Blick wieder in die Ferne schweifte. Die letzten Tage war es ziemlich ruhig gewesen, es hatte keine erneuten Festnahmen gegeben; zumindest keine, von denen ich gehört hatte.

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