Der Weg in Die Schatten
fließender. Ich hörte die gebrüllten Flüche von Halloweenern, die in Deckung hasteten, und das ängstliche Flüstern von Anwohnern, die an die Fenster traten. Der Geruch nach Blut und Benzin vermischte sich mit dem beißenden Gestank von Kordit, aber der Alte sonnte sich in der Ausdünstung der Schlacht.
Wie eine besessene Kreatur stürzte ich mich ins Getümmel.
Kugeln konnte ich natürlich nicht ausweichen, aber die Gaben des Alten ermöglichten es mir, den Schützen auszuweichen.
Die meisten Gangmitglieder, denen ich gegenüberstand, wirbelten einfach herum und drückten die Abzüge durch. Ihre Waffen spuckten gehorsam ganze Ladestreifen von Geschossen aus, aber der Rückstoß riß die Mündung jeweils gleich nach dem ersten oder zweiten Schuß hoch in die Lüfte.
Drei Silberkugeln punktierten die Brust eines Messerfreaks zu meiner Linken. Seine AK wirbelte durch die Luft, während er rückwärts an ein schmiedeeisernes Geländer taumelte und darüberkippte. Ein weiterer Gunman duckte sich hinter eine Abfalltonne aus Blech, ohne sich bewußt zu sein, daß meine Neun‐Millimeter‐Kugeln die Masse und Geschwindigkeit aufwiesen, um das Metall zu durchschlagen wie Seidenpapier.
Nach zwei Schüssen rollte der zerfetzte Zylinder über den sterbenden Körper hinweg.
Der Alte knurrte, und ich blickte rasch auf. Charles der Rote sprintete in nur fünfzig Metern Entfernung über die Straße.
Seine Reflexbooster verliehen ihm fast meine Geschwindigkeit, aber ich konnte ihn trotzdem kriegen. Unglücklicherweise machte sich, sei es aus fehlgeleiteter Loyalität, sei es aufgrund eines ernsthaften Todeswunsches, ein weiterer Halloweener zu meiner Rechten bemerkbar, so daß ich mich gleich um ihn kümmern mußte.
Das Kid entleerte seine kleine Automatik in meine Brust. Die Waffe, die wie geschaffen war für ein Gerangel zwischen Hooligans in T‐Shirts über die Beute aus einem Straßenraub, erzeugte fünf leise klopfende Geräusche. Der leichte Rückstoß war kein Problem für die Zielerfassung. Die erste Kugel stach mich wie eine Biene in die Seite, aber danach trafen die restlichen nur noch mit der Kraft eines angedeuteten Boxhiebes. Der Alte nahm den Schmerz weg, und ich wußte, daß die Kevlar‐Fütterung meiner Jacke die Kugeln daran gehindert hatte, bis ins Fleisch vorzudringen.
Mein Antwortfeuer war weniger zurückhaltend. Ich erwischte das Kid an der rechten Körperseite zwischen Schulter und Brustbein. Das Eintrittsloch der Kugel hatte nur das Ausmaß eines Pennystücks, aber der Austritt riß ein Garagentor. Der Körper des Jungen wurde herumgerissen und sackte über einem Geländer zusammen.
Zwei weitere Halloweener eilten auf dieselbe Deckung zu, die Charles den Roten meiner Sicht entzogen hatte. Unter dem Einfluß des Alten bewegten sie sich für mich wie in Zeitlupe.
Die MP‐9 schwenkte herum und spuckte Flammen nach ihnen.
Der erste Läufer wurde herumgerissen und stürzte, als zwei Kugeln seine Hüftknochen zermalmten. Der zweite klappte ebenfalls zusammen; eine Kugel traf seine Gürtelschnalle und trieb sie ihm durch die Wirbelsäule.
Angesichts von fünf Toten, noch nicht gezählten Verletzten aus dem Wrack des Pickups und eines Angriffs von hinten fiel die Front der Halloweener in sich zusammen. Der Alte stieß ein forderndes Heulen aus, und ich stellte ihm dafür meine Stimmbänder zur Verfügung. Voller Hoffnung auf eine weitere Gelegenheit, Charles den Roten noch einmal aufs Korn zu nehmen, stürmte ich weiter vor, wußte aber insgeheim, daß er das Rudel führte, wenn die Halloweener auf der Flucht waren.
Die Kugel traf meine rechte Schläfe mit einem feuchten SCHWAPP! Unfähig zu begreifen, was eigentlich passiert war, sah ich, wie die Welt sich um mich drehte und dann der Boden gegen meinen Rücken knallte. Ich prallte einmal ab und krümmte mich dann zu einer Mondsichel, während Arme und Beine sich relativ planlos auf dem Asphalt ausbreiteten. Meine Gedanken rasten. Ich suchte nach einer Erklärung für das Geschehen, denn ich wußte, da war etwas völlig schiefgelaufen, aber dann hörten alle Worte für mich auf, zu existieren.
Ich lag dort, konnte in Farben denken, konnte in Düften denken. Ich konnte in Gefühlen denken.
Ich tat es voller Furcht.
Das Kinn ruhte auf der linken Schulter. Ich stellte fest, daß ich nur mit einem Auge sehen konnte. Ich spürte Blut an der Nase herablaufen ‐ nicht in Tropfen, sondern einem stetigen Rinnsal
‐, und ich wußte, daß ich die
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