Der Weg in Die Schatten
besonders gut belohnt - was mit ein Grund für den Besuch des Blutjungen war.
Im ersten Stock fand Durzo ein unverschlossenes Fenster. Die Ehefrau des Generals lag schlafend im Bett: Sie waren nicht so ceuranisch, dass sie auf gewebten Matten schliefen, jedoch so arm, dass es nur für Matratzen aus Stroh gereicht hatte und nicht für solche mit Federn. Die Gattin des Generals war eine reizlose Frau, die leise schnarchte und mehr in der Mitte als am Rand des Bettes lag. Die Decken auf der Seite, der sie zugewandt war, waren zerwühlt worden.
Der Blutjunge schlüpfte in den Raum und benutzte seine magische Gabe, um seinen Schritt auf dem Hartholzboden unhörbar zu machen.
Eigenartig. Ein schneller Blick bestätigte, dass der General nicht nur auf einen nächtlichen ehelichen Besuch zu ihr gekommen war. Tatsächlich teilten sie sich das Zimmer. Vielleicht war er noch ärmer, als die Leute dachten.
Durzos Brauen zogen sich unter seiner Maske zusammen. Es war eine Einzelheit, von der er nichts gewusst hatte. Er zückte das kurze, vergiftete Messer und trat vor das Bett. Sie würde absolut nichts spüren.
Er hielt inne. Die Frau war den zerwühlten Decken zugewandt. Sie hatte dicht neben ihrem Mann geschlafen, bevor er aufgestanden war. Nicht auf der entgegengesetzten Seite des Bettes, wie eine Frau es lediglich bei der Erfüllung ihrer ehelichen Pflichten tun würde.
Es war eine Liebesheirat gewesen. Nach ihrer Ermordung hatte Aleine Gunder vorgehabt, dem General eine schnelle Wiederverheiratung mit einer reichen Adligen anzubieten. Aber dieser General, der eine niedrig geborene Frau aus Liebe geheiratet hatte, würde auf die Ermordung seiner Gattin ganz anders reagieren als ein Mann, der aus Ehrgeiz geheiratet hatte.
Der Narr. Der Prinz wurde von solchem Ehrgeiz verzehrt, dass er dachte, alle anderen seien genau wie er. Der Blutjunge steckte das Messer zurück in die Scheide und trat in den Flur hinaus. Er musste noch immer wissen, wo der General stand. Sofort.
»Verdammt, Mann! König Darvin liegt im Sterben. Es würde mich überraschen, wenn er noch eine Woche hätte.«
Wer immer gesprochen hatte, hatte im Wesentlichen recht. Der Blutjunge hatte dem König heute Abend seine letzte Dosis Gift verabreicht. Bis zum Morgengrauen würde er tot sein und einen Thron hinterlassen, um den zwei Männer streiten würden, davon der eine stark und gerecht, der andere schwach und korrupt. Die Sa’kagé der Unterwelt waren nicht uninteressiert, was den Ausgang betraf.
Die Stimme war aus dem Empfangsraum im unteren Stockwerk gekommen. Der Blutjunge eilte zum Ende des Flurs. Das Haus war so klein, dass der Empfangsraum gleichzeitig als Arbeitszimmer
fungierte. Er hatte einen perfekten Blick auf die beiden Männer.
General Brant Agon trug den ergrauenden Bart und das ungekämmte Haar kurz geschnitten; seine Bewegungen waren etwas ruckartig, und er versuchte stets, alles im Blick zu behalten. Das Leben im Sattel hatte ihn dünn, sehnig und leicht o-beinig werden lassen.
Sein Gegenüber war Herzog Regnus Gyre, dessen Ohrensessel jetzt knarrte, weil er sein Gewicht verlagerte. Er war ein gewaltiger Mann, sowohl in der Größe wie in der Breite, und nur wenig von seiner Leibesfülle war Fett. Jetzt faltete er die beringten Finger auf dem Bauch.
Bei den Nachtengeln. Ich könnte sie beide töten und den Sorgen der Neun hier und jetzt ein Ende machen.
»Streuen wir uns Sand in die Augen, Brant?«, fragte Herzog Gyre.
Der General antwortete nicht sofort. »Mylord...«
»Nein, Brant. Ich brauche Eure Meinung als Freund, nicht als Vasall.« Durzo schlich näher heran. Langsam zog er die Wurfmesser, wobei er sehr vorsichtig mit den vergifteten Klingen umging.
»Wenn wir nichts tun«, sagte der General, »wird Aleine Gunder König werden. Er ist ein schwacher, abscheulicher und ungläubiger Mann. Den Sa’kagé gehört bereits das Labyrinth; die Patrouillen des Königs wagen sich nur noch über die Hauptstraßen, und Ihr kennt die Gründe, warum das nur noch schlimmer werden wird. Die Todesspiele haben die Sa’kagé in eine sichere Position gebracht. Aleine hat weder den Willen noch die Neigung, sich den Sa’kagé jetzt entgegenzustellen, während wir sie noch immer vernichten können. Also, machen wir uns etwas vor, wenn wir denken, dass Ihr ein besserer König sein würdet? Keineswegs. Und von Rechts wegen ist der Thron Euer.«
Blint lächelte beinahe. Die Unterweltfürsten, die neun Sa’kagé, hätten jedem dieser Worte
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