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Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Glas Wasser nach. Es herrschte eine verlegene Stimmung, wie sie entsteht, wenn Pläne zunichte werden.
    »Mein Versprechen bleibt natürlich unberührt von dieser unglücklichen Wendung«, sagte der Maler. Er zupfte nervös an seinem blonden Bart. »Ihr seid über den Winter meine Gäste, Mattotaupa und Harka. Wir können nicht miteinander durch die Staaten fahren, und ich kann euch nicht hundertmal skizzieren und malen, wie ich es beabsichtigt hatte. Aber ich besitze ein kleines Haus an der Küste, und dort könnt ihr bleiben, bis ich ­ hoffen wir es ­ wieder gesund werde! Ich bitte euch also, haltet eure Pferde bereit und reitet mit meiner Kutsche mit, wie es auch Langspeer tun wird. Eine sicherere Begleitung kann ich mir nicht denken.«
    »Langspeer wird Schutz genug für dich sein, und wir wollen dir keine Last werden«, antwortete Mattotaupa mit seiner natürlichen Würde. »Wir gehen mit dem Zirkus. Dort sind Dakota, mit denen wir uns verständigen können. Wir werden einiges dazulernen zu dem, was wir bis jetzt gelernt haben, und wir werden viele Städte sehen. Die weißen Männer können uns nicht wie Hunde behandeln, da sie uns vorweg das Geld zu geben haben, mit dem wir auch allein weiterkommen.«
    Der Maler widersprach, aber nur schwach, denn er hatte Schmerzen, und die Kutschpferde stampften vor dem Hause.
    »Es ist das zweite Mal, daß wir uns verabschieden«, sagte er schließlich. »Nach dem ersten Mal haben wir uns zufällig und wunderbarerweise in einem Augenblick wiedergetroffen, in dem ich deiner Hilfe, Mattotaupa, dringend bedurfte. Wenn wir jetzt wieder auseinandergehen, weil du es willst, so bitte ich dich, mir zum Abschied einen Wunsch zu nennen!«
    Mattotaupa zog das Goldkorn aus der Tasche, das Harka am Flusse bei den Black Hills gefunden und das Mattotaupa im Blockhaus verschluckt hatte, um es zu verbergen. »Dieser glänzende Stein ist wieder da«, sagte er. »Ich möchte ihn Langspeer für seine Kette schenken. Für mich ist es nicht gut, Gold in der Hand zu haben.«
    Langspeer nahm das Goldkorn, in der stillschweigenden Art, in der Indianer Geschenke entgegenzunehmen pflegten. Dann übergab er Mattotaupa einen kleinen schweren Beutel. »Weitfliegender Vogel und ich, Langspeer, haben schon gefürchtet, daß ihr uns jetzt verlassen werdet. Dies hier ist ein Abschiedsgeschenk, das wir beide euch beiden machen. Möget ihr noch viel Ruhm ernten, so daß eure Namen in Prärie und Felsengebirge und in den Städten der weißen Männer bekannt werden als die Namen von kühnen und gerechten Kriegern. Ich habe gesprochen, hau.«
    Auf Langspeer und Mattotaupa gestützt, ging der Maler die Treppe hinab zu der Kutsche; die gut gefütterten Pferde stampften sehr ungeduldig. Er stieg ein, wurde in Decken gewickelt und bequem auf die gepolsterte Bank gelegt. Das Gepäck war bereits untergebracht. Langspeer gab dem Wirt und dem Schuhputzer des Hotels noch ein Trinkgeld und betonte in Gegenwart von Mattotaupa, daß Zimmer und Pferdefutter für die beiden Indianer schon für eine Woche im voraus bezahlt seien.
    Rings standen Neugierige umher; ein Teil davon mußte jetzt rasch beiseite springen, denn die Peitsche des Kutschers knallte, und das Viergespann setzte sich in schnellen Trab. Die beschlagenen Hufe klapperten. Langspeer ließ sein Pferd mitgaloppieren und führte das Reittier des Malers am Zügel. Die Maultiere waren an den Wirt verkauft.
    Mattotaupa und Harka blickten dem Gefährt noch einen Augenblick nach. Neben dem Kutscher saß ein schwerbewaffneter Begleiter.
    Als die beiden Dakota wieder auf ihr Zimmer kamen, öffnete Mattotaupa den Beutel. Er enthielt Gold- und Silberdollars. Harka studierte das eingeprägte Bild. Es zeigte einen Adler, der einen Zweig und einen Blitz in den Fängen hielt.
    »Der Donnervogel!«
    Die beiden Dakota bereuten ihren Entschluß, dageblieben zu sein, nicht. Das größte Hindernis, was sie zunächst zu bewältigen hatten, war ihre Unfähigkeit, mit den Weißen fließend zu sprechen. Sie verstanden zwar schon viel von dem, was auf englisch gesagt wurde, viel mehr, als sie sich hatten anmerken lassen. Aber es fehlte ihnen die Übung im Sprechen. Diese mußten sie zuerst und vor allem erwerben, um denjenigen gewachsen zu sein, von denen sie keine Freundschaft zu erwarten hatten.
    Als Mattotaupa und Harka noch an demselben Tage, an dem der Maler und Langspeer abgereist waren, den Direktionswagen des Zirkus aufsuchten, mußten sie lange warten. Als Mattotaupa endlich

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