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Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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mit Bob«, sagte Harka. »Mit Old Bob?«
    »Ja.«
    »Hm. Warum laßt ihr euch denn von mir prüfen?«
    »Zum Spaß. Die Schlußrunden können wir mitreiten«, erwiderte Mattotaupa.
    »So, ja, hm. Gedanke gar nicht schlecht. Baue euch heute abend gleich ein. Ihr haltet euch bereit. Sobald ich winke, führt ihr das mit dem Taschentuch und dem Durchschlängeln vor. Abgemacht?«
    »Hau.«
    »Halloo!« sagte Bill zu dem Singenden Pfeil. »Die beiden roten Gentlemen zu Old Bob führen!«
    Bob war bei seinen vier Eseln im Stallzelt zu finden. Er schaute den beiden Dakota freundlich entgegen, besonders dem Jungen. Als Mattotaupa und Harka mit ihrem Begleiter zu ihm herangekommen waren, fragte er:
    »Wie steht’s, Harry? Hast du eine Idee für eine neue Nummer?«
    »Ja.«
    »Ja? Harry ­ komm, erkläre mir das sofort.«
    »Es sind vier Esel. Wir müssen vier Kinder sein.«
    »Vier Kinder? Ja, Kinder, das zieht immer. Was sollen die tun?«
    »Das Komische an deinen Eseln ist, daß sie dressiert sind, wild zu sein. Dadurch sind sie viel wilder als Wildesel.«
    »Großartig! Du hast Sinn dafür, wie Komik entsteht. Wie weiter?«
    »Wir werden vier Kinder sein und vier Esel reiten.«
    »Jawohl, im Pagenanzug, entzückende Kinder, ganz elegant, Kinder eines Lords, finden die Esel im eigenen Garten! Zwei Jungen, zwei Mädchen. Du bist der älteste.« Harka ging auf das Phantasiebild ein:
    »Wir steigen ohne Wissen des Vaters auf. Die Esel fangen an zu bocken. Sie bocken alle vier gleichzeitig auf die gleiche Art: scheues Galoppieren, Steigen, Ausschlagen, Katzbuckel mit allen vieren in der Luft. Das muß wie ein wilder Eseltanz sein. Die Kinder parieren auf die gleiche Art und gleich geschickt.«
    »Wie Kunstreiter. Jawohl. Weiter, weiter!«
    »Du bist der Vater, kommst dazu, bist entsetzt und verzweifelt. Die Esel machen den Haupttrick. Wir springen ab.«
    »Gut, gut! Weiter?«
    »Du rufst die Stallburschen, die alle abgeworfen werden. Die Kinder lachen die Stallburschen aus. Ich springe auf, sitze verkehrt, packe den Schwanz; die anderen Kinder folgen meinem Beispiel, und vor den erstaunten Augen des Vaters verlassen wir winkend die Manege.«
    »Große Nummer! Aber woher nehmen wir die Kinder?«
    »Ich suche sie mir aus der Indianertruppe.«
    »Wie lange müßt ihr üben?«
    »Das sage ich dir morgen, wenn ich gesehen habe, was die anderen Kinder können.«
    Damit waren Mattotaupa und Harka in die Reihen der Artisten aufgenommen. Trotz des erfolgreichen Anfangs aber waren die folgenden Wochen und Monate für beide sehr schwer. Harka mußte auf Bobs Verlangen den Salto mortale auf dem Boden und auf dem Esel erlernen. Er mußte jeden Morgen mit zwei Mädchen und einem anderen Indianerjungen die neue Nummer stundenlang proben, bis die Esel müde und die Kinder völlig erschöpft waren. Die Kinder fanden kaum Zeit, miteinander ein Wort zu sprechen, das nicht zur Probe gehörte. Sie freuten sich aber am Zusammensein. Harka lernte außerdem nach seinem eigenen Willen lesen und schreiben, nachdem er englisch sprechen gelernt hatte. Er übte sich mit dem Vater zusammen täglich im Schießen mit Feuerwaffen. Das war für die beiden etwas ganz anderes als eine Probe für eine Nummer. Es war die Übung für die Freiheit, und es waren diese Stunden, in denen ihre Kräfte immer wieder wuchsen.
    Die beiden bewohnten gemeinsam einen winzigen Eckraum in einem Wagen; Bob hatte ihnen diese eigene Unterkunft mit vieler Mühe verschafft. Sie schliefen in Hängematten, in denen sie krumm lagen, weil der Raum nicht ausreichte. Sie erhielten ein Essen, das ihnen widerstand, und mußten sich oft erbrechen. An jedem Tag, den der Zirkus nicht für seine Reise brauchte, fanden zwei Vorstellungen, morgens aber die Proben statt. Es blieben am Tage knapp zwei Stunden zum Ausruhen, und in dieser Pause gingen die beiden Dakota in die Stadt, in der sich der Zirkus jeweils aufhielt.
    Das Leben wurde etwas leichter, als die neue Nummer mit den Eseln klappte und die vier Indianerkinder, stark geschminkt, vier kleine englische Adlige spielten. Bob redete wochenlang auf Harka ein, daß er seine langen Haare abschneiden solle, die immer unter der Kopfbedekkung versteckt werden mußten; eine blonde Perücke werde viel besser in die Nummer passen. Aber Harka tat, als höre er nichts. Old Bob biß auf Granit und sah davon ab, Harka zu der blonden Perücke zu zwingen. Er fürchtete, der Junge würde imstande sein, sie mitten in der Vorstellung abzusetzen.
    Als Harka

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