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Der Weg Nach Tanelorn

Der Weg Nach Tanelorn

Titel: Der Weg Nach Tanelorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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eins!
    Und nun empfand Falkenmond in seinen Träumen (wenn es Träume waren) für einen flüchtigen Moment den Frieden – ein Gefühl, das zu groß für Worte war. Er war eins. Er war eins.
    Doch schon war es vorbei und wieder war er viele. Und er schrie in seinem Bett und flehte um Frieden.
    Yisselda klammerte sich an ihn, als er um sich schlug und sich aufbäumte. Und Yisselda weinte. Da fiel Licht durch das Fenster auf sein Gesicht. Der Morgen graute.
    »Dorian! Dorian!«
    »Yisselda!«
    Tief atmete er ein. »O Yisselda!« Er war zutiefst dankbar, dass zumindest sie ihm nicht genommen worden war, denn außer ihr hatte er keinen Trost auf der ganzen Welt, auf all den Welten, die sich ihm während des Schlafens offenbarten. Und so hielt er sie in seinen starken Armen an sich gedrückt und weinte ein wenig, und sie weinte mit ihm. Dann standen sie auf, kleideten sich schweigend an und verließen in aller Stille, ohne zu frühstücken, das Gasthaus. Sie stiegen auf die Pferde, die für sie bereitstanden, und ritten aus Karlye, die Küste entlang, durch den dichten Regen, den die graue, aufgewühlte See ihnen entgegenzuschicken schien, bis sie die Silberbrücke erreichten, die sich über die dreißig Meilen Wasser zwischen dem Festland und der Insel von Granbretanien erstreckte.
    Die Silberbrücke war nicht mehr, wie Falkenmond sie in den vergangenen Jahren gekannt hatte. Ihre hohen Pfeiler, im Augenblick von Nebel, Regen und hoch oben auch von Wolken verborgen, trugen nicht länger kriegerische Reliefs, die vom Ruhm des Dunklen Imperiums zeugen sollten. Statt dessen schmückten neue Bilder sie, eines zum Andenken an jede Stadt den Kontinents, die die granbretanischen Kriegsherren dereinst geplündert und geschändet hatten. Eine große Anzahl von Bildern war es, die alle harmonisch die Natur priesen. Die gewaltige Brücke war auch jetzt noch eine Viertelmeile breit, doch keine Kriegsmaschinen wurden jetzt darüber geschleppt; keine der Tierkrieger des Dunklen Imperiums überquerten sie mehr. Prächtige Handelskarawanen zogen in jede der beiden Richtungen, und Reisende aus Normandien, Italien, Slavien, Polanz, Skandien, den Bulgarbergen, den großen deutschen Stadtstaaten, Pescht, Ulm, Vien und Krahkov, ja selbst dem fernen, geheimnisumwitterten Moskovia. Fuhrwerke rollten über sie, gezogen von Pferden, von Ochsen, sogar von Elefanten. Kamele und Maultiere und Esel wurden darüber getrieben. Seltsame uralte Wagen, die mechanisch bewegt wurden, waren zu sehen. Nicht immer funktionierten sie noch einwandfrei, und wenn sie stehen blieben, war es schwierig, sie wieder in Gang zu bringen, denn das Prinzip ihres Antriebs war vielleicht lediglich noch einer Handvoll kluger Männer und Frauen bekannt. Reiter trabten über die Silberbrücke, und Männer, die Hunderte von Meilen zu Fuß zurückgelegt hatten, nur um dieses Wunderwerk zu sehen, schritten ehrfurchtsvoll darüber. Die unterschiedliche Kleidung, die zu sehen war, zeugte zuweilen von fremden Landen, so manche war unansehnlich, geflickt, staubig, manche protzig in ihrem übertriebenen Prunk. Pelze, Leder, Seide, Wolle, die Häute fremder Tiere, die Federn seltener Vögel schmückten Kopf und Rücken der Reisenden. Jene in den kostbarsten Gewändern litten am meisten unter dem kalten Regen, denn er drang durch kunstvoll gefärbte Stoffe und fand die nackte, frierende Haut darunter. Falkenmond und Yisselda trugen ihre einfache warme Reisekleidung ohne jegliche Verzierung, und ihre Pferde waren gute, kräftige Tiere, die unermüdlich dahintrabten. Bald schon hatten sie sich der Menge angeschlossen, die westwärts zog, dem dereinst gefürchteten Land entgegen, das jetzt von Königin Flana in ein Zentrum der Kultur und des Handels verwandelt worden war und von einer gerechten Regierung verwaltet wurde. Es hätte schnellere Möglichkeiten gegeben, Londra zu erreichen, aber Falkenmond trieb das Verlangen, die Stadt auf jenem Wege zu erreichen, auf dem er sie zum ersten Mal verlassen hatte.
    Seine Laune wurde besser, als er auf die zitternden Trossen schaute, die die Hängebrücke hielten, auf die kunstvolle Silberverzierung der mächtigen Stahlpfeiler, die nicht nur erbaut waren, um Millionen Tonnen zu tragen, sondern auch, um dem stetigen Schlagen der Wellen und dem Druck der Strömung weit unterhalb der Oberfläche zu widerstehen. Die Brücke war ein Monument der Leistung des Menschen, sowohl von Nutzen als auch großer Schönheit, und ohne jegliche übernatürliche Hilfe

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