JULIA GOLD Band 32
1. KAPITEL
„Du hast in deinem Leben ja schon einige verrückte Sachen gemacht, aber dies ist verantwortungslos.“ Alice Trent blickte ihre Freundin missbilligend an. „Du liest einen kurzen Zeitungsartikel und bist sicher, dass daraus die Story des Jahrhunderts wird. Wie kannst du nur in irgendein gottverlassenes kleines Land reisen, von dem kaum einer jemals gehört hat?“
„Genau deshalb.“ Pippa Bennington legte eine Bluse in den Koffer. „Ich bin Bildjournalistin. Ich suche nach ausgefallenen Themen.“
„Musst du so weit weg danach suchen? Es wäre etwas anderes, wenn du im Auftrag fahren würdest. Woher willst du wissen, dass du die Story überhaupt verkaufen kannst?“
„Ich bin davon überzeugt! Sharribai ist ein Land wie aus Tausendundeiner Nacht. Es wird von einem Sultan regiert, der sich noch einen Harem hält. Das ist heutzutage schwer vorstellbar, stimmt’s? Er ist ein absoluter Monarch, dessen Wort Gesetz ist.“ Pippa runzelte nachdenklich die Stirn. „Ich wünschte, ich wüsste, wie er aussieht. Der Artikel war ohne Fotos.“
„Pass lieber auf. Er wird einen Blick auf dich werfen und dich in seinen Harem stecken.“ Alice musterte ihre Freundin abschätzend.
Pippa hatte grüne Augen und langes kupferrotes Haar. Die Natur hatte ihr nicht nur ein makellos schönes Gesicht, sondern auch eine schlanke, kurvenreiche Figur beschert. Pippa tat die Warnung mit einem Schulterzucken ab. „Ich bin sicher, dass der Sultan keine Frauen importieren muss.“
„Vielleicht gefällt ihm eine, die seine Sprache nicht spricht. Du würdest die Einzige im Harem sein, die nicht an ihm herumnörgeln kann.“
„Nicht unbedingt. In dem Artikel steht, dass in Sharribai Türkisch gesprochen wird. Ich habe mir diese Kassetten mit einem Crashkurs gekauft und lerne schon seit zwei Wochen jeden Tag. Ich weiß nur nicht, wie ich in den Palast kommen soll.“ Pippas angeborener Optimismus gewann schnell wieder die Oberhand. „Oh, na gut, ich werde einfach improvisieren müssen.“
„Rechne nicht damit, dass es klappt. Ich bezweifle, dass der Sultan Touristen zum Tee einlädt.“
„Wenn ich nur Referenzen irgendeines großen Zeitschriftenverlags hätte. Als freiberufliche Journalistin habe ich keine Beziehungen, das ist das Problem. Aber wenn ich diese Story verkauft habe, wird das anders sein. Vielleicht bringt sie mir sogar eine feste Anstellung ein.“
„Glaubst du wirklich, dass dein Artikel so ein Erfolg wird?“
„Ich bin davon überzeugt. Sharribai hat alles. Geheimnisse, Romantik und eine uralte Geschichte. Es ist ein Staat der Gegensätze. Auf dem Land leben die Menschen in Hütten und benutzen primitive landwirtschaftliche Geräte, aber in der Hauptstadt soll es eine elegante Ladenstraße geben, und der Sultan hat einen märchenhaften Palast mit Marmorsälen und einer goldenen Kuppel.“
„Klingt, als wäre die Landbevölkerung schwer benachteiligt“, sagte Alice trocken. „Der Sultan sollte sein Geld besser in eine gute Alarmanlage investieren. Wenn die Bauern von den sanitären Anlagen im Palast erfahren, werden sie Schlange stehen, um den Komfort zu nutzen.“
„Veränderungen sind wohl unvermeidlich. Deshalb will ich jetzt hin, bevor Reiseveranstalter Sharribai entdecken und die Einheimischen ihre bunten Sachen gegen Jeans und T-Shirts austauschen.“
Pippa war fasziniert, während sie mit dem Taxi durch Izmoyar fuhr, der Hauptstadt von Sharribai. Die schmalen, gewundenen, mit Kopfsteinen gepflasterten Straßen wimmelten von Menschen, Karren und Autos. In Schaufenstern und auf den Bürgersteigen waren farbenprächtige Waren ausgestellt. Der Palast mit dem Kuppeldach funkelte in der Sonne. Die Eingänge waren überwölbt, die Fenster waren durch feine schmiedeeiserne Schnörkel geschützt, und die ganze Fassade war mit einem Mosaik verziert, das aus der Ferne in allen Regenbogenfarben verschwamm. Nur die Soldaten mit ihren sehr realen Gewehren vor dem Tor beeinträchtigten das ätherische Aussehen des Palasts.
Sobald sie ein Zimmer in einem billigen Hotel bekommen hatte, brach Pippa mit ihrer Kamera auf. Entzückt von all den exotischen Sehenswürdigkeiten, dauerte es eine Zeit lang, bis Pippa die Feindseligkeit der Einheimischen bemerkte. Sie wurde offensichtlich, als ihr Lächeln nicht erwidert wurde und jeder nur gleichgültig die Schultern zuckte, wenn sie sich zu verständigen versuchte. Eine Frau allein wird hier wohl nicht gern gesehen, vermutete Pippa, aber sie wollte sich
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