Der Weg Nach Tanelorn
vielleicht sind Wissen und Schmerz so eng miteinander verbunden, dass eines mit dem anderen vergraben ist. Ich glaube, ich war vom Wahnsinn besessen.«
»Genau wie ich«, versicherte ihm Falkenmond. »Aber mein Geist war auch gesund. Jetzt scheine ich mich in einem Zwischenstadium zu befinden. Es ist ein sehr merkwürdiges Gefühl.«
»Wie gut ich es kenne«, murmelte Corum. Er drehte sich um und deutete mit seinem Becher auf die anderen Anwesenden. »Lasst mich Euch mit unseren Kameraden bekanntmachen. Das hier ist Emshon von Ariso …«
Ein Mann mit wildem Blick und buschigem Schnurrbart blickte vom Tisch auf und brummte etwas. Er hatte eine dünne Röhre in der Hand, die er in regelmäßigen Abständen an die Lippen hob. In der Röhre schwelten Kräuter einer bestimmten Art. Ihren Rauch atmete der zwergwüchsige Krieger ein. »Seid gegrüßt, Falkenmond. Ich hoffe, Ihr seid ein besserer Seemann als ich, denn dieses verdammte Schiff hat die Angewohnheit, sich des Öfteren wie eine unwillige Jungfrau aufzubäumen.«
»Emshon ist von etwas düsterem Gemüt«, sagte Corum lächelnd, »und seine Worte sind hin und wieder ein wenig grob. Aber er ist, die meiste Zeit zumindest, recht angenehme Gesellschaft. Und das hier ist Keeth Leidträger. Er ist davon überzeugt, allen, die mit ihm reisen, Unglück zu bringen …«
Keeth blickte verlegen zur Seite und murmelte etwas, das keiner verstehen konnte. Zum Gruß zog er eine kräftige Pranke aus seinem Bärenfellumhang, doch das einzige, was Falkenmond von seinen Worten verstehen konnte, war: »Es stimmt. Es stimmt!« Keeth Leidträger war ein großer, schwerfälliger Kämpfer mit einer Pelzmütze, der unter seinem Umhang Lederflickwerk und Wollwams trug.
»John ap-Rhyss.« Corum deutete auf einen hochgewachsenen, hageren Mann, dessen Haar weit über die Schultern fiel und dessen herabhängender Schnurrbart sein melancholisches Aussehen noch erhöhte. Er war ganz in gebleichtes Schwarz gekleidet, nur ein helles Symbol war über dem Herzen auf sein Hemd gestickt. Er trug einen dunklen, breitkrempigen Hut, und sein begrüßendes Grinsen wirkte ein wenig spöttisch.
»Heil Euch, Herzog Dorian. Wir haben von Euren Abenteuern im Lande Yel gehört. Ihr kämpft gegen das Dunkle Imperium, nicht wahr?«
»Ich tat es«, erwiderte Falkenmond. »Aber der Kampf ist längst gewonnen.«
»Bin ich schon so lange fort?« John ap-Rhyss runzelte die Stirn.
»Es ist sinnlos, die Zeit auf normale Weise messen zu wollen«, warnte Corum. »Findet Euch damit ab, dass in Falkenmonds unmittelbarer Vergangenheit das Dunkle Imperium besiegt ist, während es in Eurer noch mächtig ist.«
»Man nennt mich Überläufer Nikhe«, machte John ap-Rhyss’ Nebenmann sich selbst bekannt. Er hatte einen Bart, rotes Haar und eine ruhige, trockene Art. Seine Kleidung bildete einen auffallenden Gegensatz zu der düsteren von ap-Rhyss’. Überall bedeckten sie klingelnde Talismane, Glasperlen, verzierte Lederstücke, Stickereien und Glückbringer aus Gold, Silber und Messing. Seine Schwerthülle war mit Halbedelsteinen in der Form von winzigen Falken, Sternen und Pfeilen geschmückt. »Ehe Ihr es von anderen erfahrt, möchte ich Euch gleich darauf hinweisen, dass man mich in bestimmten Gegenden meiner eigenen Welt als Verräter betrachtet, da ich während einer Schlacht einmal aus gutem Grund die Seiten wechselte. Ich bin kein Infanterist oder Kavallerist wie die meisten von euch, sondern ein Seemann. Mein Schiff wurde von einem Zerstörer der Flotte König Fesfatons gerammt. Ich war am Ertrinken, als man mich an Bord dieses Schiffes zog. Ich glaubte, man würde mich zur Unterstützung der Mannschaft benötigen, aber man behandelt mich als Passagier.«
»Wer ist dann die Mannschaft des Schiffes?« erkundigte sich Falkenmond, denn außer diesen Kriegern hatte er niemanden gesehen.
Überläufer Nikhe lachte in seinen roten Bart. »Verzeiht«, entschuldigte er sich. »Aber es sind keine Seeleute an Bord, wenn Ihr vom Kapitän abseht.«
»Das Schiff benötigt keine Mannschaft«, erklärte Corum ruhig. »Wir haben uns schon gefragt, ob der Kapitän es kommandiert, oder es ihn.«
»Es ist ein magisches Schiff, und ich wollte, ich hätte nichts damit zu tun«, sagte einer, der bisher geschwiegen hatte. Er war feist und steckte in einem stählernen Brustharnisch, der mit nackten Frauen in allen möglichen Posen graviert war. Darunter trug er ein rotes Seidenhemd, und um seinen Hals ein schwarzes Tuch.
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