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Der Weg nach Xanadu

Der Weg nach Xanadu

Titel: Der Weg nach Xanadu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Steiner
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Obwohl es ihnen verboten war, den gesunden Bewohnern der Gemeinde zu
nahe zu kommen, gelang es ihnen, mittels Tauschhandel zu überleben. Sie ließen
einfach erbeutetes Wildbret an einem Platz unterhalb der Kirche liegen; am
nächsten Tag fanden sie dort Werkzeuge, Kleidungsstücke oder ein Faß voll Met.
Die Legende sagt, daß erst achtundsiebzig Jahre später der letzte von ihnen
starb. Ob das ein resistenter Greis gewesen war oder ob sie Nachkommen gezeugt
hatten, die sofort wieder erkrankt waren, blieb unklar. Jedenfalls hatte der
fürsorgliche Pastor von Culbone, William Rougher, das Fenster eigenhändig in
die Wand gestemmt, damit die Leprakranken der Eucharistie wenigstens von außen
beiwohnen konnten. So war die Schießscharte zu ihrem Namen gekommen:
Leprafenster.
    »Her skin as white as leprosy«
— wieder so ein Faden, der, kaum gesponnen, schon wieder ins Leere führte. Über
das weiße Steingesicht auf dem Pilaster des zweiten Fensters stand natürlich
kein Wort in der Broschüre. Die beiden Bögen wären wie das Taufbecken aus einem
einzigen Sandsteinblock gehauen worden, etwa zur gleichen Zeit.
    Das war es auch schon.
    Aufschlußreich, aber nicht
weiterführend.
    Außer einem etymologischen
Detail: Der mythische alte Name von Culbone, noch vor St. Beunos
Bekehrungstour, war Kitnor. Zusammengesetzt aus den Wörtern »cyta« und
»ore«. Frei übersetzt: eine Höhle am Meer.
    Hier war aber keine Höhle.
    Caverns, measureless to man.
    Viele Fäden, kein Netz.
     
    Verbrachte den Rest des Tages
hauptsächlich in Mauds Küche. Was sie aus wenigen Ingredienzien zusammenbraute,
Eintöpfe, Kasserolen, gefüllte Teigtaschen, hätte sich eine lobende Erwähnung
im Restaurantführer des British Tourist Board verdient.
    Henderson setzte sich
gelegentlich zu mir an den Tisch und erkundigte sich nach dem Fortgang meiner
Recherchen. Langsam, sagte ich, es ginge nur langsam voran.
    »Ist das Buch was wert?« fragte
er. Ich hatte seinen Spürsinn nicht unterschätzt.
    »Nun«, sagte ich so
diplomatisch wie möglich, »nicht im materiellen Sinn. Für die Wissenschaft
vielleicht, aber um das herauszufinden, müßte man das Buch einem
Expertengremium zur Prüfung vorlegen.«
    Henderson verließ die Küche
ohne ein Wort. Er hatte sichtlich das Interesse verloren. Ein Etappensieg für
mich, dachte ich.
    Fachsimpelte gerade mit Maud
über Gewürzkombinationen, als eine Hand aus dem Himmel herniederfuhr und eine
Flasche auf den Tisch knallte.
    »Hab hier einen Keller«, sagte
Henderson.
    Maud grinste, holte drei Gläser
und setzte sich zu uns.
    Es folgte ein gleichermaßen
inspirierter wie wortkarger Abend.
    Henderson ging noch so manches
Mal in seinen Keller, und als ich schwankend meinem Bett zustrebte, hatte ich
Maud irgendwie ins Herz geschlossen und Henderson irgendwie das Red Book of
Hergest abgekauft. Für fünfzig Pfund, obwohl er genau wußte, daß es mehr
wert war.
    Als ich die Tableaus über
meinem Bett tanzen sah, beschloß ich, ein weiteres anzufertigen, eigenhändig. Rätsel
der britischen Seele sollte es heißen.

Vierundzwanzig Zu Mittag weckte mich Maud mit lautem Klopfen. »Entschuldigen Sie«, sagte sie,
als ich öffnete, »aber ich glaube, das hier ist wichtig für Sie.« Sie drückte
mir ein verschnürtes Paket in die Hand. Mir entfuhr ein krächzender Laut der
Freude.
    »Wollen Sie«, fragte Maud,
»noch ein Frühstück, bevor Sie das alles durchackern?«
    »Ackern?« fragte ich.
    »Lesen«, sagte Maud. »Sind doch
wohl Schriften und Bücher, oder nicht?«
    »Ja«, sagte ich, »stimmt.
Bücher.«
    »Sie müssen noch
frühstücken«, sagte Maud mit Nachdruck. »In Ihrem Zustand verstehen Sie ja gar
nicht, was da drinsteht.«
     
    Nach drei Spiegeleiern mit
gebratenem Speck und einer Kanne Tee war ich wieder Herr meiner Sinne und
stürzte mich auf Jills Paket.
    Auf dem Papierstapel lag eine
Karte. »Mehr hab ich nicht gefunden«, stand da. »Freu mich auf Oktober. Jill.«
    Sie hatte ganze Arbeit
geleistet.
    Historische Quellen, Artikel
von Mythenforschern, Essays über den Ursprung der Romance — sie mußte
den ganzen Tag in der Bibliothek verbracht haben. Für mich. Ich war gerührt.
    Für die Durchsicht der Skripte
benötigte ich mehrere Stunden. Erst am späten Abend hatte ich aus der Fülle des
Materials die für mich bedeutsamen Aspekte herausgefiltert und mir einen ersten
Überblick verschafft.
    Vieles wies darauf hin, daß
Culbone, oder besser Kitnor, eine der wichtigsten und

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