Der Weihnachtswunsch
Ich will, dass er nervös wird. Und holen Sie mir meinen Kaffee.«
»Soll ich ihn in den Konferenzraum bringen?«
»Nein. Ich glaube nicht, dass ich mich dort lange aufhalten werde.«
Er wandte sich ab und entfernte sich.
»Ja, Sir«, sagte sie leise.
Kier ging den Flur entlang zum Konferenzraum. An dem langen, glänzenden Tisch aus Zuckerahorn hatten zwölf Personen Platz. An diesem Morgen saßen dort jedoch nur drei: zwei Anwälte und seine Frau.
Kiers Anwalt, Lincoln Archibald, hatte einen breiten Brustkorb und dichtes schwarzes Haar, das in buschige, an Elvis erinnernde Koteletten überging. Die Koteletten waren früher sogar noch länger gewesen, bis Kier, der mit seiner Meinung nie hinterm Berg hielt, Lincoln gefragt hatte, ob er die Dinger wegen einer Wette trage oder damit Kinder erschrecken wolle.
Als Kier ihm das nächste Mal begegnete, waren die Koteletten gestutzt worden.
Sara saß mit dem Rücken zur Tür, ebenso wie ihr Anwalt, Steve Pair, Saras Neffe, der gerade sein Jurastudium beendet hatte. Kier mochte Saras Schwester Beth nicht und hielt von ihrem Sohn genauso wenig.
Kier ließ sich auf den Stuhl neben Lincoln fallen und ächzte dabei leise, um jeden wissen zu lassen, wie lästig ihm dieses Treffen sei. Erst dann blickte er zu seiner Frau hinüber.
Sara trug unter einem roten Topfhut mit hochgebogener Krempe einen Seidenschal um den Kopf. Obwohl sie bereits seit fast einem Jahr getrennt von ihm war, trug sie noch immer ihren schlichten, viertelkarätigen Ehering an der linken Hand. Sie war stets präsent, und obwohl sie blass aussah, waren ihre Blicke aus wimpernlosen Augen noch immer durchdringend.
Kier wich diesem festen Blick aus. Er hatte, wie immer, das Gefühl, dass sie ihn ganz und gar durchschaute. »Sara«, sagte er kurz und nickte.
»Hallo, Jim.«
»Du siehst nicht sonderlich gut aus.«
»Mir geht es gut.« Es war offensichtlich, dass dies nicht stimmte. Sie war krankhaft fahl und hatte zweifellos abgenommen, seit Kier sie vor drei Wochen das letzte Mal gesehen hatte. »Wir haben dich an Thanksgiving vermisst.«
»Ich war nicht in der Stadt. Es ist mir unvorhergesehen etwas Wichtiges dazwischengekommen.«
»Jimmy war hier. Du hättest seine Verlobte kennenlernen können.«
»Wie gesagt, ich war nicht in der Stadt.«
»Sollen wir anfangen?«, fragte Steve.
Kier wandte sich dem jungen Anwalt zu. »Was hältst du von einem Strafrechtler?«, fragte Kier.
»Wie bitte?«
»Ich habe gefragt, was du von einem Strafrechtler hältst.«
Steve schaute Kier verärgert an. »Keine Ahnung. Was hältst du denn von einem Strafrechtler?«
»Ich halte ihn für überflüssig.«
Steve schüttelte nur den Kopf. »Gut, nachdem wir das geklärt haben, können wir anfangen. Entgegen meinem Rat hat meine Mandantin Mrs Kier großzügigerweise all deine Bedingungen akzeptiert – bis auf zwei. Sie möchte das Klavier behalten. Es hat einen emotionalen Wert für sie. Außerdem ist nicht genug Geld für Jimmys Ausbildung vorhanden.«
Kiers Grinsen verschwand. »Jimmy kann seine Ausbildung ebenso wie ich hinter sich bringen. Und wozu muss er überhaupt aufs College? Er will doch nur seine kleinen Bilder malen.«
»Mr Kier, wir beide kennen meine Mandantin …«
»Deine Mandantin ? Spinnst du? Sie ist deine Tante. Ihr Name ist Sara.«
Sara blickte Steve entschuldigend an, bevor sie Kier anschaute. »Bitte, Jim, lass uns zivilisiert mit dieser Sache umgehen.«
Kier lehnte sich zurück, schlug die Arme übereinander und warf einen Blick auf seine Uhr. »Schön. Bringen wir’s hinter uns.«
Steve setzte erneut an. »Ich habe meiner … Ich habe Sara geraten, das Geld für Jimmys Ausbildung einzufordern; andernfalls werden wir auf das Geschäftsvermögen zurückgreifen.«
Kier starrte den jungen Mann zornig an.
Lincoln beugte sich vor und flüsterte ihm ins Ohr: »Akzeptieren.«
In Wahrheit hatte Kier kein Interesse an dem Klavier, und der Betrag für Jimmys Ausbildung war ihm auch nicht sonderlich wichtig. Aber er führte eine Verhandlung, und die erste Regel für jede Verhandlung lautete, Dinge zu fordern, die einem gleichgültig waren, damit man etwas anzubieten hatte für den Fall, dass man über etwas verhandeln musste, was einem wirklich wichtig war.
Er atmete laut aus. »In Ordnung. Es ist sein Leben. Warum soll ich mir den Kopf darüber zerbrechen, wie er es vergeudet?«
Steve warf Sara einen Blick zu, bevor er sich an Lincoln wandte. »Sehr gut, dann gibt es nichts mehr zu
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