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Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Bewährungsauflagen, und es stand außer Frage, dass Pell wieder ins Gefängnis wandern würde.
    Normalerweise hätte sich Bosch gefreut, dass ein Seriensextäter hinter Gitter kam. Aber in diesem Fall empfand er wegen Pells spezieller Situation ein gewisses Bedauern. Er konnte nicht umhin, sich dafür verantwortlich zu fühlen. Und schuldig.
    Schuldig, weil er eingeschritten war.
    Als Bosch in der First Street klargeworden war, was Pell vorhatte, hätte er den Dingen einfach ihren Lauf lassen können. Dann wäre jetzt eine Bestie weniger auf der Welt, ein Mensch von einer Bösartigkeit, wie Bosch sie noch nie erlebt hatte. Aber er war eingeschritten. Er hatte eingegriffen, um die Bestie zu retten, und jetzt waren seine Gedanken von Bedauern überschattet. Hardy verdiente den Tod, aber er würde ihn nie erleiden oder erst so lange nach seinen Verbrechen, dass es schon beinahe egal war. Bis dahin würde er sich vor Gericht und im Gefängnis aufspielen und in die Ruhmeshalle des strafrechtlichen Zeitgeists eingehen, wo Männer wie er Gegenstand von Gesprächsrunden und Büchern waren und in ein paar finsteren Nischen sogar verehrt wurden.
    Das alles hätte Bosch verhindern können, was er aber nicht getan hatte. Mit der Devise, dass entweder jeder zählte oder keiner, ließ sich das allerdings schwerlich erklären. Oder gar entschuldigen. Er wusste, an der Schuld für sein heutiges Vorgehen würde er lange zu tragen haben.
    Den Rest des Tages hatte Bosch hauptsächlich damit verbracht, Berichte zu schreiben und sich von ermittelnden Kollegen zu den Vorgängen im Gefängnisbus befragen zu lassen. Dabei gelangten sie zu dem Schluss, dass Pell gewusst hatte, wie er an Hardy herankommen konnte. Er war bestens mit dem System vertraut und kannte die Verfahren und Abläufe. Er wusste, dass Weiße separat ins Gericht gebracht wurden und dass seine Chancen gut standen, in denselben Bus zu kommen wie der Mann, den er umbringen wollte. Er wusste, dass er an Händen und Füßen Schellen angelegt bekäme und seine Hände an einer Kette um den Bauch festgemacht würden. Er wusste, dass er diese Bauchkette über seine schmalen Hüften und seine Füße streifen konnte und dass sie seine Mordwaffe sein würde.
    Es war ein guter Plan gewesen, und Bosch hatte ihn vereitelt. Weil sich der Zwischenfall in einem Gefängnisbus des Sheriff’s Department ereignet hatte, wurde er auch von diesem untersucht. Der Deputy, der Bosch vernommen hatte, hatte ihn ganz direkt gefragt, warum er eingeschritten sei. Bosch hatte geantwortet, das könne er nicht sagen. Er habe ganz spontan und instinktiv reagiert, ohne sich Gedanken zu machen, dass die Welt ohne Hardy ein besserer Ort wäre.
    Als Bosch jetzt von seiner Terrasse auf den nicht abreißenden Strom aus Metall und Glas hinabblickte, nagte Pells Leid an ihm. Er hatte seine letzte Chance auf Erlösung vereitelt, ihm den Moment geraubt, in dem er nicht nur den Schaden, der ihm zugefügt worden war, hätte wettmachen können, sondern in seinen Augen auch den Schaden, den er anderen zugefügt hatte. Auch wenn Bosch diese Meinung nicht unbedingt mit ihm teilte, verstehen konnte er es. Jeder suchte Erlösung. Für irgendwas.
    Doch darum hatte Bosch Pell in letzter Sekunde gebracht, und deshalb hörte er jetzt Frank Morgans traurige Musik und hätte sich am liebsten in Alkohol ersäuft. Der Sextäter tat ihm leid.
    Das Saxophon wurde von der Türglocke übertönt. Bosch ging nach drinnen, aber als er im Wohnzimmer war, flitzte in der Diele bereits seine Tochter vorbei und schaffte es vor ihm zur Haustür. Sie legte die Hand auf den Türgriff und das Auge an den Spion, bevor sie öffnete. Genau so, wie er es ihr beigebracht hatte. In dieser Haltung verharrte sie kurz, dann wich sie von der Tür zurück und ging in kleinen roboterhaften Rückwärtsschritten an Bosch vorbei.
    »Es ist Kiz«, flüsterte sie.
    Dann zog sie sich weiter im Krebsgang zurück, als wollte sie in Deckung gehen.
    »Na und«, sagte Bosch. »Das ist doch kein Grund zur Panik. Mit Kiz werden wir schon fertig.«
    Bosch öffnete die Tür.
    »Hallo, Harry. Wie geht’s?«
    »Gut, Kiz, danke. Was gibt’s?«
    »Ach, weißt du, ich dachte, wir könnten uns vielleicht mal kurz zusammen auf die Terrasse setzen.«
    Zunächst antwortete Bosch nicht, sondern sah sie nur an, bis der Moment peinlich lang wurde.
    »Harry? Hallo? Ist irgendwas?«
    »Ach so, nein, sorry. Ich war nur kurz etwas … komm doch rein.«
    Er öffnete die Tür ganz und

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