Der Widerstand: Demi-Monde: Welt außer Kontrolle 2 (German Edition)
Charismatiker in einer Welt von Zerbrechlichen zu sein, zu entziehen, indem er sich eine Kugel in den Kopf jagte.
Die Schatten machten ihm Angst, weil in dieser dunklen Zeit alle Gefühle, die er so mannhaft ignoriert und beiseitegeschoben hatte, in ihm aufwallten und drohten, ihn zu überwältigen. Die Schatten zwangen ihn einzusehen, dass er vielleicht, möglicherweise, oder sogar mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit doch nicht der gefühllose, kalte und gnadenlose Automat eines Übergenies war, der er so verzweifelt gern gewesen wäre. In der Schattenzeit fühlte sich Bole menschlich, fühlte sich … zerbrechlich . Dann war er kein majestätischer und allmächtiger Dunkler Charismatiker mehr. In der Schattenzeit gewann das Unterlegene vorübergehend Macht über das Überlegene, und Bole wurde zu einem von seiner ansteckenden Sterblichkeit gedemütigten Gott. In diesen Augenblicken kam seine menschliche Seite, die ansonsten in die tiefsten Winkel seiner Seele verbannt war, an die Oberfläche und beschränkte ihn wieder auf den einfältigen, unterwürfigen H. sapiens , der die Boles vor ihrer Erleuchtung durch den Meteor gewesen waren.
In seinem verzweifelten Versuch zu verstehen, was ihn so quälte, hatte er in den Geschichtsbüchern nach Hinweisen gesucht und eine erstaunliche Entdeckung gemacht: Offensichtlich hatten alle D-Singularitäten – also die stärksten der Dunklen Charismatiker, zu deren exklusivem Kreis sich auch Bole zählte – daran gelitten. Stalin, Bonaparte, Cromwell, Alexander der Große und Caligula, sie alle hatten die Schatten gekannt.
Seine Studien hatten ihn zu der Einsicht geführt, dass in einem Dunklen Charismatiker die beiden Aspekte seines Wesens – H. sapiens und H. singularis , Mensch und Grigori – stets im Clinch miteinander waren und seine Seele daher niemals Frieden finden könnte. Dunkle Charismatiker waren Hybriden – die Seele eines Grigori wohnte im Körper eines Zerbrechlichen – und dazu verurteilt, niemals positiv zu denken, sondern stets mit sich im Streit zu liegen, indem die eine Seite ihres Ichs um Vorherrschaft über die andere kämpfte.
Es war eine besorgniserregende Schlussfolgerung, vor allem, weil die mit den Schatten einhergehenden Depressionen mit zunehmendem Alter heftiger wurden. Wenn die Schatten ihn im Griff hatten, so stellte Bole zu seiner großen Besorgnis fest, wurde er von Mal zu Mal sentimentaler und stärker selbstmordgefährdet. Es war, als wollte das, was von seiner Menschlichkeit übrig war, sich selbst und seinen dunklen Zwilling zerstören, weil es erkannt hatte, dass es den Grigori in ihm niemals besiegen könnte.
In diesen dunklen Zeiten fühlte sich Bole wie ein Hamster in einer Tretmühle, der unaufhörlich rannte und doch nicht vom Fleck kam. Die Mühle war natürlich eine einfache Metapher für sein Schicksal, und er ahnte, dass die Schatten, die sein Leben plagten, auf der Stelle verschwinden würden, wenn er sich dem Druck seiner vielen Verantwortungen und Belastungen entziehen konnte, und sei es nur für einen Augenblick. Doch die Mühle zu verlassen war unmöglich, das wusste er. Der Grigori in seinem Innern würde ihm niemals verzeihen, wenn er aufgab. Er war ihre letzte Hoffnung. Boles Leben war durch seine heilige Mission definiert, den lang ersehnten Sieg der Grigori über die Zerbrechlichen zu erringen … die Endlösung.
Bole seufzte, und das verzweifelte Geräusch hallte durch den Raum. Während er reglos auf seinem Stuhl saß und von der Last auf seinen Schultern erdrückt wurde, während ihm der Schweiß über die gerunzelte Stirn lief und er die Augen zusammenkniff und die Zähne zusammenbiss, spürte er, dass dieser Augenblick eine außergewöhnlich schwere Prüfung darstellte.
Dieses Mal wurden seine Qualen von der Furcht genährt, dass er versagen könnte. Die Möglichkeit, dass seine gewissenhafte Planung und Hinterhältigkeit von den nichtsahnenden Aktionen eines achtzehnjährigen Mädchens zunichtegemacht werden könnten, verfolgte ihn. Dass er, der große Septimus Bole, von Ella Thomas ausgetrickst worden sein könnte. Von einer Zerbrechlichen, einer Frau, einer Schwarzen … einem Untermenschen.
Er umklammerte den in Leder gefassten Griff der Waffe und spürte, wie schwer ihr Gewicht und ihre Kraft in seiner Hand wogen. Unaufgefordert demonstrierte er seine Stärke, hob die Waffe Zentimeter um Zentimeter und legte sie an die Schläfe. Jetzt spürte er die angenehme Kälte des Laufs auf der Haut. Sein
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