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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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Mannes erklang, der sich für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens einsetzte.
    Sie schnallte sich an und stellte die Spiegel ein.
    »Meine Angst gehört zu mir, aber ich bin nicht meine Angst.«
    Sie kramte den Schlüssel aus der Manteltasche.
    »Meine Angst gehört zu mir, aber ich bin nicht meine Angst.«
    Sie trat die Kupplung durch und legte den ersten Gang ein. Seger hatte nicht gelogen: Manche Dinge verlernte man nie.
    »Meine Angst gehört zu mir, aber ich bin nicht meine Angst.«
    Den Blick eisern nach vorn gerichtet, wollte sie den Schlüssel ins Zündschloss stecken und stutzte. Da war kein Zündschloss. Sie neigte den Kopf zur Seite, um unter das Lenkrad zu spähen. Nichts. Verdammt! Wie ging die Karre an?
    Im oberen Drittel der Mittelkonsole, direkt neben den Lüftungsschlitzen entdeckte sie einen Knopf von der Größe eines Zwei-Euro-Stücks mit der Aufschrift »Start/Stop Engine«. Aha. Was Autos anging, war sie also auch nicht besser als die Leute in Odisworth, denn sie hatte noch nicht einmal davon gehört, dass man einen Wagen inzwischen auch per Knopfdruck starten konnte.
    Sie streckte den Finger aus. Und für einen Wimpernschlag hatte Jule das Gefühl, als hörte sie schon das sanfte Grollen des Motors, noch bevor sie den Knopf gedrückt hatte.

11
     
    Der Anruf ging um 16:31 ein – nicht über den Notruf, sondern über den gewöhnlichen Anschluss der Polizeiwache Joldebek. Polizeiobermeister Björn Hinrichsen nahm ihn ohne irgendwelche Erwartungen entgegen und meldete sich gelangweilt, aber streng nach Vorschrift.
    »Ich habe was für euch.« Es war die Stimme eines Mannes. Er klang gehetzt, aber entschlossen. »Es liegt im Wäldchen an der L12 bei Odisworth. Dort, wo die Plastiktüte hängt.«
    »Was?«, versuchte Hinrichsen, den Anrufer zu unterbrechen, der sich davon jedoch nicht beirren ließ.
    »Da müsst ihr rein. Bei der Plastiktüte. Einfach geradeaus. So hundert Meter. Da ist es. Im Wäldchen an der L12 bei Odisworth.«
    »Hallo?« Hinrichsens Hände fanden einen Stift, und er machte sich eilig Notizen. »Hallo?«
    Der Mann hatte bereits aufgelegt.
    »Was war das denn?«, fragte Polizeiobermeister Marko Assmuth über den Rand seiner BILD-Zeitung hinweg.
    Hinrichsen schaute seinen jungen Kollegen irritiert an und zuckte mit den Schultern. »Irgendein Spinner hat irgendwas von einer Plastiktüte erzählt.«
    »Ein Scherz?«, wollte Assmuth wissen.
    »Keine Ahnung.« Hinrichsen betrachtete einen Moment das Gekritzel auf seinem Zettel. Dann zeigte er ihn Assmuth. »Willst du hinfahren?«
    Assmuth erhob sich ächzend und korrigierte umständlich den Sitz des Gürtels um seine Hüften. »Warum nicht? Mir schläft hier noch der Hintern ein. Kommst du mit?«

12
     
    Die ersten Kilometer ihrer ersten Fahrt nach Jahren waren für Jule die reine Hölle. An jeder Kreuzung, die sie überquerte, krallte sie die Hände ums Lenkrad, weil sie davon ausging, dass jeden Moment ein Fahrradfahrer oder Fußgänger wie aus dem Nichts vor ihr auf der Straße auftauchen würde. Sie bremste selbst vor grünen Ampeln ab, kroch beim Abbiegen förmlich um die Ecken und beschleunigte generell auf maximal 45.
    Es half auch nicht gerade, dass sie sich im Hamburger Feierabendverkehr zurechtfinden musste. Die vielen Autos machten die Lage für sie quälend unübersichtlich.
    Als sie die Autobahn erreichte, war ihre Bluse völlig durchgeschwitzt. Sie kannte viele Frauen, die nicht sonderlich gern Auto fuhren, und die meisten von ihnen schreckte nichts mehr, als eine längere Strecke auf der Autobahn zurücklegen zu müssen. Für Jule war es anders: Sie reihte sich auf der rechten Spur zwischen zwei Vierzigtonnern ein und ließ sich treiben. Falls es zu einem überraschenden Bremsmanöver des vorderen LKWs kam, würde sie zwischen den Lastern zerquetscht, aber das löste in ihr keinerlei Grauen aus. In diesem Fall hätte wenigstens nicht sie Schuld. Obwohl sie gemütlich mit knapp hundert durch die Gegend zuckelte, nahm sie von der flacher und flacher werdenden Landschaft kaum Notiz. Eintönige Felder und Wiesen, vereinzelte Hochsitze, Werbeplakate für Fastfoodketten, gelegentliche Spaliere blühender Obstbäume, hier und da eine bunte Schallschutzmauer – all das zog unbemerkt an ihr vorbei.
    Was sie bemerkte, waren die Ein- und Ausfahrten. Hier ging sie jedes Mal davon aus, falsch auf einen Einfädelversuch zu reagieren und einen anderen Wagen zu rammen. Dann schnürte ihr die Panik schier die Luft

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