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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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Zwangsumleitung folgte, als das Navi sagte: »Ihre Route wird neu berechnet.«
    Respekt. Das Gerät war wohl direkt an den Verkehrsfunk gekoppelt.
    Im Schritttempo fuhr sie den Weg weiter. Es war zwar schon Viertel vor sieben, aber laut Navi brauchte sie auch nur noch fünf Minuten bis zum Ziel. Wahrscheinlich lag Odisworth gleich hinter dem Wäldchen.
    Das Licht ihrer Scheinwerfer schnitt eine breite Schneise in die Finsternis zwischen den Bäumen. Das Unterholz wurde dichter und dichter. Einmal schlug ein tief hängender Ast dumpf gegen das Wagendach. Ob man der Polizei Lackschäden in Rechnung stellen konnte? Freiwillig hätte sie diese Piste ja nie befahren.
    Die gemächliche Geschwindigkeit dämpfte ihre Angst auf ein äußerst erträgliches Maß. Wenn ihr hier etwas vor den Kühler sprang, dann doch höchstens ein aufgescheuchtes Reh.
    Sie lenkte den Wagen in eine enge Kurve. An ihrem Scheitelpunkt angekommen, schrie Jule auf. Da stand jemand! Mitten auf dem Weg! Eine dunkle massige Gestalt! Sie war nur einen Wimpernschlag zu sehen, wie ein Schatten aus den Augenwinkeln, ehe sie sich mit einem weiten Sprung ins Unterholz flüchtete. Jule wollte bremsen, aber der Wagen rollte einfach weiter. Verdammt! Hatte sie statt der Bremse die Kupplung getreten? »Halt an, halt an, halt an …«, rief sie, und der Wagen gehorchte ihr endlich.
    Jule warf einen gehetzten Blick in den Seitenspiegel. Nur dichtes Gestrüpp, Baumstämme und Äste. Von der Gestalt war nichts mehr zu sehen. Sie unterdrückte ein Stöhnen und presste die Stirn aufs Lenkrad.
    In ohrenbetäubender Lautstärke fuhr ein kratzendes Rauschen aus sämtlichen Boxen. Jule schreckte auf. Ihr erster Reflex wollte sie aus dem Auto treiben, fort von dem Lärm. Dann fiel ihr die Gestalt ein. Was, wenn der Mann dort draußen lauerte? Wer würde ihr hier beistehen können, wenn er handgreiflich wurde?
    Jule konnte kaum klar denken. Der Lärm musste endlich aufhören! Sie drehte wild den Bedienknopf hin und her. Es nutzte nichts. Das Rauschen toste weiter. Alles, was sie in ihrer Hektik erreichte, war, dass das Display sich abschaltete. Das letzte bisschen Licht im Wageninneren erlosch. Der Lärm blieb.
    »Diese beschissenen Bäume!«, fluchte Jule. Sie behinderten offenbar den Empfang. Wenn sie aus dem Wäldchen raus war, würde die Antenne wieder den Infosender einfangen. Sie musste nur endlich weiterfahren.
    Plötzlich überkam Jule das Gefühl, beobachtet zu werden. Nein, kein Gefühl, die absolute Gewissheit, jemand lauerte hinter ihr. Sie warf einen Blick in den Rückspiegel. Ein Windstoß ließ die Äste links und rechts des Weges auf und ab wippen und hauchte den Schatten im Unterholz gespenstisches Leben ein. War es tatsächlich nur der Wind? Was, wenn jemand hinter ihr quer über den Weg gerannt war? Hätten sich die Äste dann nicht auch bewegt?
    Jule biss die Zähne zusammen und trat aufs Gas. Sie beschleunigte mehr, als ihr lieb war. Auf den ersten Metern ihrer Flucht verriss sie vor lauter Angst das Steuer. Der Wagen geriet ins Schlingern und den Bäumen gefährlich nahe – erst auf der einen, dann auf der anderen Seite schossen die Stämme auf sie zu. Zweimal drehten die Reifen durch und schleuderten dicke Klumpen Waldboden in die Höhe.
    »Ich bin nicht meine Angst!«, schrie Jule. »Ich bin nicht meine Angst.«
    Sie versuchte, mit der Mitte der Kühlerhaube die Mitte des Wegs anzuvisieren. Der Motor heulte immer schriller auf, weil sie nicht in den nächsten Gang schaltete. Pures Glück bewahrte sie davor, in der nächsten Kurve nicht geradeaus in den Wald hineinzurasen und einen der Bäume zu rammen.
    Jules Fuß rutschte vom Gas. Der Wagen wurde schlagartig langsamer. Das Rauschen aus den Lautsprechern verwandelte sich unvermittelt in Musik – ein billiger, stampfender Discosound. Jule kannte das Lied sogar. ›Barbie Girl‹.
    Sie lachte erleichtert. Irgendein Provinzsender, der uralte Hits spielte. Sie gab wieder Gas, vorsichtig und dosiert, während sie am Drehknopf fummelte.
    Der Spuk endete so rasch, wie er begonnen hatte. Der Wald wurde lichter, das Lied verstummte – ersetzt durch das beruhigende Gemurmel eines Moderators –, und das Display meldete sich nach einem Flackern ebenfalls wieder zum Dienst, gerade noch rechtzeitig, als Jule den Waldrand passierte: »Sie haben Ihren Bestimmungsort erreicht.«
    Vor ihr lag ein einsames Gehöft. Das Haupthaus war in einem erbärmlichen Zustand: Auf der einen Seite, wo das Dach eingestürzt

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