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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Segelerlebnisse austauschten, betrachtete ich das ruhiger werdende Meer und die vom Dämmerlicht gefärbten Festungsbauten und genoss den Wind auf meinem Gesicht. Nach einer Stunde kam Anne Merivaara und sagte, die Sauna sei jetzt frei.
    Schon von dem kleinen Schluck Whisky war mir wohlig warm geworden, denn nach den enthaltsamen Monaten der Schwangerschaft vertrug ich nicht mehr so viel. An etwas so Trauriges wie Harris Tod mochte ich jetzt nicht denken. Es war vielleicht der letzte warme Sommerabend, der uns obendrein die seltene Gelegenheit bot, in aller Ruhe gemeinsam in die Sauna zu gehen, während ein freiwilliger Babysitter auf die schlafende Iida aufpasste.
    Die Fenster der Sauna gingen nach Westen, wo nur einzelne Klippen zu sehen waren. Die Seeschwalben hielten Flugwettbe-werbe ab, die Fische übten Hochsprung. Auf Anttis Haut perlten kleine Tropfen, sie schmeckte nach Wind und Salz, ich konnte die Lippen nicht von ihr lösen … Erst nachdem wir uns geliebt hatten, fiel uns ein, dass nach uns noch jemand in die Sauna wollte. Zum Schluss kühlte ich mich in der geschützten kleinen Bucht ab, wo Seetang mich am Bauch kitzelte. Der Nordostwind hatte das Wasser abgekühlt, es roch bereits ein wenig nach Herbst. Als wir die Sauna verließen, stand der erste Stern am dunkler werdenden Himmel.
    Der grünhaarige Junge saß wartend vor der Festung. Als er uns sah, rief er nach Mikke, der vom Ufer heraufkam und im Vorbeigehen zu uns sagte:
    »Eine warme Nacht. Die anderen sitzen beim Leuchtturm und grillen. Ihr könnt euch gern anschließen.«
    »Ich hol die Whiskyflasche und schau mal nach Iida«, meinte Antti, der offenbar nichts dagegen hatte, mitzufeiern. Ich auch nicht. Vor der Einsamkeit, die der Mutterschaftsurlaub mit sich brachte, hatte ich mich schon im Voraus gefürchtet. Wir wohnten zur Miete in einem alten Einfamilienhaus in Henttaa, weit weg von der Bushaltestelle und von allen meinen Freunden.
    Ohne Telefon und gute Bücher wäre es mir schwer gefallen, den ganzen Tag mit dem Baby allein zu sein. Dennoch hatte ich den Mutterschaftsurlaub voll in Anspruch genommen, denn seit der ersten Klasse der Oberstufe hatte ich nur einmal Sommerurlaub gemacht und sonst, von ein paar Monaten Arbeitslosigkeit abgesehen, fast pausenlos geschuftet. Im letzten Winter hatte ich Zeit gehabt, ausgiebig zu lesen, mit Iida Ausflüge in die Natur zu machen und das Klavierspielen zu lernen. Ab und zu war ich allerdings so ausgehungert nach Begegnungen mit anderen Menschen, dass ich mich sogar über die gelegentlichen – meist dienstlichen – Anrufe meines widerwärtigen Kollegen Pertti Ström freute.
    Auf jeden Fall lohnte es sich, mit den Besitzern von Rödskär nähere Bekanntschaft zu schließen. Mikke Sjöberg interessierte mich beinahe zu sehr. Es kam selten vor, dass ich mit einem völlig Fremden einfach so dasitzen und ein Glas Whisky teilen konnte. Ich hatte wohl zu lange zu Hause gehockt, wenn der erste attraktive Mann, der mir über den Weg lief, meine schlummernde Flirtbereitschaft weckte.
    Die Merivaara-Frauen saßen am Grill. Obwohl wir erst vor ein paar Stunden zu Abend gegessen hatten, lief mir beim Anblick der Gemüsespieße das Wasser im Mund zusammen. Ich stillte Iida nur noch morgens, hatte aber durch mein hartes Training einen hohen Kalorienverbrauch. Bereits einige Wochen nach der Entbindung hatte ich mit Joggen und Kraftsport begonnen, um den Schwangerschaftsspeck loszuwerden, und der Sport war mehr als je zuvor zur Droge geworden. Joggen war ein akzeptabler Grund, das Haus zu verlassen und Zeit für mich allein zu haben – wenn ich meinen Dienst wieder antrat, würde ich mir diese Momente nur selten leisten können.
    Anne Merivaara rutschte ein Stück zur Seite, sodass ich mich neben sie auf die Bank setzen konnte. Antti kam, die Whiskyflasche schwenkend, aus dem Haus, gefolgt von einem breitschultrigen, einen Kopf kleineren blonden Mann, der auf mich zutrat und mir die Hand gab.
    »Tapio Holma, guten Abend. Eure Tochter ist wirklich süß.«
    Ich hätte beinahe laut gelacht. Vorhin hatte ich Mikke Sjöberg für zu alt gehalten, um Riikkas Freund zu sein, aber Tapio Holma war noch älter, mindestens vierzig. Bei seinem Anblick dachte ich sofort an dunkelblauen Samt und Spitzenkragen, ohne zu wissen, woher diese Assoziation kam. Erst als Antti mir Whisky eingegossen hatte, fiel es mir ein. Ich hatte Holma vor einigen Jahren bei den Opernfestspielen in Savonlinna als Rodrigo, Marquis de Posa im »Don

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