Der Wolf
liebe alte und junge
Wolfsfreunde !
Erik Zimen
Grillenöd, im April 2003
Rückkehr des Wolfes in Europa
Eine Lebensgeschichte – und das gilt auch für eine Geschichte mit Wölfen – hat naturgemäß verschiedene denkbare Anfänge.
Lassen Sie mich einen Anfang wählen, der – so scheint
es mir rückblickend – eine Richtungsänderung im Denken
markiert hat. Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich jetzt gedanklich zurückkehren möchte, hatte ich schon einiges an praktischer Wolfsforschung hinter mir, aber zweifellos war das
Jahr 1970 für mich eine sehr markante Datumslinie.
Kurz nach der Gründung des ersten Nationalparks in
Deutschland, »Nationalpark Bayerischer Wald« (Oktober
1970) fand im Nationalparkamt in Grafenau eine kleine
Konferenz statt. Es ging um die Frage, wie man die vielen
Hirsche im Wald managen könnte. Seit Jahrzehnten hatten
die Förster am Südrand des Waldes, dort, wo das Rotwild
ins Vorland überwechselt, Auffangfütterungen angelegt,
die das begehrte Wild im Wald zurückhalten sollten, damit
es hier von den Staatsbeamten bejagt werden konnte und
nicht von den Jägern des Vorlandes erlegt werden würde.
Die Folgen dieser Fütterung waren, dass viel zu viele Hirsche im Wald lebten und große Schäden an den Bäumen
anrichteten, was eine natürliche Regeneration des Waldes
praktisch verhinderte.
Nun sollten die Tiere im Herbst in Gatter gelockt werden,
um dort bei ausreichend Futter den Winter zu verbringen –
alles mit dem Ziel, den Äsungsdruck auf die jungen Bäume
zu senken. Zudem lockte die Aussicht, in den Wintergattern bei Bedarf leicht ganze Rudel abschießen zu können,
um so die Bestände unter Kontrolle zu halten.
Von dieser Form des Managements von Wildtieren in
einem Nationalpark war ich alles andere als begeistert. Extrem mulmig wurde mir, als ein Vorschlag aufkam (… und
dass es eine krasse Außenseiter-Meinung war, dämpfte meinen Zorn damals nur mäßig) : Man könne Hunde in die
Wintergatter lassen, damit sie die zu erwartende RotwildKonzentration um die Fütterungsstellen »aufreiben«. Ich
stand auf und schlug vor, man solle all diese künstlichen
Maßnahmen vergessen und zulassen, dass Wölfe wieder
ins Waldgebirge zurückkommen dürften. Nur so wäre ein
naturnahes Gleichgewicht zwischen Wald und Wild langfristig zu erreichen ; außerdem – dieses Stützungsargument
lag ja nahe – entspräche ein solcher Schritt durchaus der
Idee des Nationalparks, aus dem sich der nutzende Mensch
zurückziehen soll.
Die Reaktion war negativ. Niemand von den Wildbiologen und Förstern konnte sich vorstellen, dass inmitten
Europas wieder Wölfe leben könnten, dass eine Koexistenz
zwischen Wolf und Mensch »lebbar« wäre.
Das Image des Wolfes als gefährlicher Feind des Menschen war auch in den Köpfen von Wild- und Waldexperten
viel zu verfestigt. Und ich muss ehrlicherweise zugeben : Ich
glaubte damals selbst nicht so recht an die Realisierbarkeit
meines Vorschlages. Frei lebende Wölfe inmitten Europas !
Das hatte schon sehr deutlich den irrlichternden Schein der
Utopie. – Und doch ! Etwa mit dem letzten Jahrzehnt des
vergangenen Jahrtausends begann diese Utopie ein Stück
weit Wirklichkeit zu werden. Der Wolf drängt, von Osten
kommend, wieder in Gebiete, aus denen man ihn mit aller
Härte und Brutalität vertrieben hatte, vor.
In Brandenburg werden immer wieder Wölfe beobachtet, die aus Polen kommen und über die Oder schwimmen.
Und auf einem ehemaligen russischen Truppenübungsplatz
in der Lausitz (Sachsen), hat sich sogar ein kleines Rudel
etabliert, das unter dem Schutz des dortigen Bundesförsters steht.
Das sind alles erstaunliche und sehr hoffnungsvolle Ansätze ; doch von einer gesicherten Wiederkehr des Wolfes
nach Deutschland kann noch nicht die Rede sein. Zwar
werden die Wölfe dort, wo sie wieder auftauchen, von der
einheimischen Bevölkerung meist erstaunlich wohlwollend
aufgenommen ; die Medien verfolgen sie auf Schritt und
Tritt und berichten hauptsächlich positiv ; Schäfer allerdings
melden Bedenken an, und auch viele Jäger (lange nicht mehr
alle!) reagieren negativ. So sind die allermeisten Wölfe, die
nach Brandenburg gekommen sind, inzwischen wieder spurlos verschwunden. Wir müssen davon ausgehen, dass die
Mehrzahl illegal abgeschossen wurde, ähnlich wie es dem
so genannten »Brahmwaldwolf« erging, der im Winter 2002
wochenlang in der Nähe von Göttingen lebte und immer
wieder gesichtet und fotografiert wurde. Die junge Wölfin
war
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