Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wolfsthron: Roman (German Edition)

Der Wolfsthron: Roman (German Edition)

Titel: Der Wolfsthron: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cinda Williams Chima
Vom Netzwerk:
Lehrer die Akademie in Odenford verlassen, um sich der Politik zu widmen?
    Han zwang sich, woanders hinzusehen. Fiona kniete jetzt auch, sodass nur noch Lord Bayar stand. Der Hohemagier sah sich um, schüttelte den Kopf und lächelte sein krokodilhaftes Lächeln.
    »Bei der Gnade des Schöpfers«, sagte er leise und musterte Raisas Gesicht, als wäre er endlich bereit, sie anzuerkennen. »Seid Ihr es wirklich, Prinzessin Raisa?«
    »Es scheint, als hätte ich alle im Königinnenreich überzeugen können, abgesehen von Euch, Lord Bayar«, antwortete Raisa trocken und blickte über die Menge hinweg.
    Die daraufhin erneut zu brüllen begann: »Rai-sa!« und »Thorn Rose!« und »Alister!« und etwas, das so ähnlich klang wie »Tod dem Bayar!«, auch wenn dies etwas undeutlicher und schwerer auszumachen war.
    Und jetzt ging der Hohemagier ebenfalls anmutig in die Knie. Der Dreckskerl, dachte Han, an dessen Händen mehr als genug Blut klebt, hat tatsächlich Tränen in den Augen. »Vergebt dem Zyniker in mir, Eure Hoheit. Wir haben bereits unsere geliebte Marianna verloren. Angesichts dieser tragischen Zeiten hatte ich mich selbst dazu gebracht zu glauben, dass Ihr auch tot sein müsstet.« Er schüttelte den Kopf. »Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, ja, nicht einmal die Hoffnung, dass wirklich Ihr diejenige seid, die da vor mir steht.«
    Was sogar ziemlich sicher stimmte.
    Die Menge grölte anerkennend, und der Lärm schwappte über sie hinweg wie Wellen über ein Strandufer.
    Raisa stellte sich in den Steigbügeln auf, um sich so groß wie möglich zu machen. Vom Pferderücken aus konnte sie über die Menschen auf dem Podest hinwegsehen und auch zu den vielen Leuten unterhalb des Podests sprechen. Ihre Rüstung funkelte in der Sonne, und ihr Umhang flatterte im Wind.
    Sie hob beide Hände mit den Handflächen nach oben. »Erhebt euch«, sagte sie mit jener tragenden Stimme, die allmählich vertraut wurde. »Bitte steht bequem. Es tut so gut, wieder zu Hause zu sein. Ich habe diese Berge vermisst und die Menschen, die hier wohnen – Highlander und Vale-Bewohner, die Spirit-Clans und die Amulettschwinger.«
    Sie schwieg für einen Moment. »Ich bin nach Hause zurückgekommen, weil ich das Gesicht meiner Mutter wieder sehen und ihre Stimme wieder hören wollte. Jetzt wird das niemals mehr geschehen. Es gibt viele schwierige Fragen, die in den kommenden Tagen gestellt und beantwortet werden müssen – und viele Entscheidungen, die es zu treffen gilt.« Raisa ließ ihren Blick auf denen ruhen, die auf dem Podest standen. »Aber heute bin ich hergekommen, und die alten Königinnen sind hergekommen« – sie machte eine ausladende Bewegung zu den Wölfinnen – »um meine Mutter zu ehren, Königin Marianna. Sie ist – über eine ununterbrochene Linie – die Verbindung zur Kriegerkönigin Hanalea, die die Große Zerstörung geheilt und die Welt gerettet hat. Eine solche Verbindung wird nicht leicht gebrochen. Der Tod einer solchen Königin rührt die Tiere auf, die unter der Erde liegen. Er rührt Fragen in uns allen auf, über das, was gewesen ist, und das, was sein wird.«
    Han lauschte erstaunt, während Raisa weitersprach. Bewahrte sie solche Reden in ihrem Innern auf?, fragte er sich. Nur für den Fall? Oder schlüpften sie einfach so heraus, wenn sie gebraucht wurden?
    Wie auch immer sie das machte, das war etwas, das er unbedingt lernen wollte.
    Der Rest dieses Nachmittags verstrich in einer Abfolge verschwommener Bilder. Han stieg ab und half Raisa unter den finsteren Blicken der Bayars vom Pferd. Er und Amon Byrne stiegen gleich hinter Raisa nebeneinander die Stufen zum Podest hinauf und stellten sich beiderseits von ihr auf, während Raisa erst ihre Schwester Mellony und Averill Demonai umarmte und dann die Frau mit dem langen grauen Zopf. Die anderen begrüßte sie etwas formeller, aber für jeden hatte sie ein Lächeln und ein Wort übrig – selbst für Lord Bayar mit seinem unaufrichtigen Straßengesicht.
    Die Demonai standen noch immer zu beiden Seiten des Podestes und hielten ihre Langbögen locker in den Händen. Die Pfeile waren an die Sehnen gelegt, zeigten aber zum Boden, während sie die Magier auf dem Podest beobachteten. Es war weniger ein Übereinkommen als ein Patt.
    Unter Jemsons Anleitung sprach Raisa ein Gebet für die tote Königin und vertraute sie ihrer letzten Ruhestätte in den Spirit Mountains an. Sie begrüßte ihre Ahnen, die Grauwolf-Königinnen, und zählte sie aus dem Stand auf.

Weitere Kostenlose Bücher