Der Wolfsthron: Roman (German Edition)
fest. Er hatte das Kinn gereckt und sah auf eine Weise von oben auf ihn herab, als wollte er sagen: Mach schon, Bayar. Aber sieh zu, dass mich dein erster Schuss tötet.
Irgendetwas in Han’s Innern sehnte sich nach dem Angriff, gierte nach der Möglichkeit, es hier zu beenden, auf die eine oder andere Weise.
Geduld, Alister, dachte er. Greif niemals an, wenn du nicht in der Position bist, ganz sicher gewinnen zu können.
Han warf einen Blick auf Fiona und Micah, die gleich hinter ihrem Vater standen. Micahs Augen waren immer noch auf Raisa gerichtet, und Fiona starrte immer noch Han an. Ihre Brauen waren abschätzend zusammengezogen, und sie biss sich auf die Unterlippe.
Dann zog Amon Byrne Han’s Aufmerksamkeit auf sich, als er sich mit zwanzig Blaujacken zwischen Han und Raisa und die Wachen drängte, die das Podest abschirmten. Mit blanken Schwertern wandten sie sich dem Hohemagier zu. Einige von ihnen kannte Han von Odenford – Garret Fry und Mick Bricker, Talia Abbott und Pearlie Greenholt. Links und rechts von ihnen bezogen die Demonai-Krieger Position und schützten die Flanken mit ihren Langbögen, die sie einsatzbereit in den Händen hielten.
»Kniet vor der Erbprinzessin nieder«, sagte Lord Averill mit lauter und tiefer Stimme. »Und dankt dem Schöpfer, dass sie zu uns zurückgekehrt ist.« Averill ließ sich auf ein Knie nieder und neigte den Kopf, gefolgt von der grauhaarigen Frau, die zuvor so laut gesprochen hatte.
Byrnes Blaujacken sanken ebenfalls auf die Knie. Die Demonai neigten sich auf fast komische Weise etwas zur Seite, womit sie die Prinzessin anerkannten und gleichzeitig ihre Augen und Waffen weiterhin auf die Magier auf dem Podest gerichtet halten konnten.
Flüche sind langsamer als Pfeile, dachte Han.
Redner Jemson kniete jetzt ebenfalls, und sein Gewand bauschte sich um ihn herum auf. Elena sank neben ihrem Stuhl auf die Knie. Dancer kniete am Rand des Pavillons nieder, den Kopf erhoben, die Hand an seinem Amulett und den Blick auf die Bayars gerichtet. Sonst kniete niemand.
Für einen langen Moment blieb alles in der Schwebe, schien alles auf Messers Schneide zu stehen. Und dann fing es an. Es kam von ganz unten – ein rhythmisches Grollen von Stimmen, das lauter und lauter wurde und sich zu einem ohrenbetäubenden Gebrüll steigerte.
»Rai- sa ! Rai- sa ! Rai- sa !« Einige riefen sogar: »A-lis-ter!«
Han sah an den Pavillons mit den leuchtenden Bannern vorbei, sah an der Bahre mit der Königin und den Blaublütigen auf dem Podest vorbei und stellte fest, dass die riesige Menge des gewöhnlichen Volks wie aus einem Guss auf die Knie sank.
Han hatte damit gerechnet, dass sie das tun würden, aber er war trotzdem sehr beruhigt, als er es jetzt sah und hörte. Cat Tyburn hatte ihre Arbeit gut gemacht.
Und ganz langsam, wie Blätter, die von einem Baum fielen, taten es ihnen die Blaublütigen gleich. Zuerst ließ sich Prinzessin Mellony neben ihrem Vater auf die Knie sinken. Dann einige Blaublütige, die Han nicht kannte, darunter auch der General mit den vielen Abzeichen. Danach folgten die Blaujacken, die das Podest beschützten. Eingeschlossen Mason Fallon.
Doch noch immer keine Magier. Diese drängten sich unglücklich zusammen, wie Geier, die von warmen Kadavern verscheucht worden waren.
Bis Micah Bayar seinen Umhang nach hinten schwang und einen Kniefall machte. Er neigte den Kopf, und sein Amulett baumelte nach vorn. Fiona starrte ihren Bruder finster an, als hätte sie ihn am liebsten niedergetrampelt.
Oh, dachte Han. Micah bricht mit seiner Familie? Das ist interessant.
Drei weitere Magier ließen sich jetzt auf die Knie sinken. Dann folgten die Mander-Brüder und eine pummelige Magierin mit rötlich braunen Haaren in mittlerem Alter, die ihre Mutter sein musste. Und Master Gryphon.
Master Gryphon?
Han starrte ihn an. Sein früherer Lehrer stand zwischen zwei anderen elegant gekleideten Magiern, einem Mann und einer Frau mit langen aristokratischen Nasen und schmalen unglücklichen Mündern. Und noch während Han hinsah, warf Gryphon seine Krücken beiseite, und das ältere Paar nahm jeweils einen Arm und ließ ihn auf den Boden des Podests hinunter. Dann knieten sie sich ebenfalls zu beiden Seiten von Gryphon hin und hielten die Köpfe gesenkt, aber Gryphon starrte Han an. In seinen Augen blitzte wilde Neugier.
Fragen rasten durch Han’s Kopf.
Was machte Gryphon hier, wo doch das neue Semester bereits im Gange war?
Hatten etwa sämtliche Studenten und
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