Der Wolfsthron: Roman
Hände, weil sie in seiner Gegenwart Magier eines Verbrechens beschuldigt hatte.
»Wenn Königin Marianna es dem Angreifer weggerissen hat und es dadurch in den Garten gefallen ist, hatte er vielleicht gar keine Möglichkeit, es sich zurückzuholen«, sagte Elena und nahm Han das Amulett ab. »Vielleicht war dort unten jemand.«
Raisa schüttelte den Kopf. »Laut Averill hat niemand gesehen, wie die Königin gestürzt ist, und sie ist auch erst gefunden worden, nachdem Magret sie vermisst hat.«
»Das ist zwar vielleicht kein echter Beweis«, warf Nightwalker ein. »Aber es stützt das, was ich schon die ganze Zeit sage – dass wir uns nicht mit anderen Magiern zusammentun sollten, wenn wir gegen die Magier kämpfen, die vielleicht den Tod von Königin Marianna auf dem Gewissen haben. Sie geraten dadurch in eine schwierige Lage, denn sie müssten gegen ihre eigene Art vorgehen.« Einige der jüngeren Demonai-Krieger nickten zustimmend.
»Was schlägst du also vor, Nightwalker?«, fragte Elena.
Nightwalker sah sich im Kreis der Anwesenden um, als suchte er nach Verbündeten. »Ich schlage vor, dass wir morgen eine kleine Gruppe Demonai-Krieger nach Fellsmarch schicken. Einige von uns sind jetzt mit der Stadt vertraut, und Lightfoot kann uns leicht Zutritt zum Schloss verschaffen. Wir holen uns Prinzessin Mellony und bringen sie ins Demonai-Camp. Wenn wir beide Prinzessinnen unter Kontrolle haben, hat der Magierrat keine andere Möglichkeit, als nachzugeben.«
»Glaubt Ihr das wirklich?«, fragte Raisa. Ihre Stimme klang so kalt und spröde wie das Eis eines zugefrorenen Flusses. »Dass Ihr jetzt diese Prinzessin hier unter Kontrolle habt? Ich bin keine Spielfigur oder irgendeine strategisch kriegswichtige Festung, die Ihr zu erobern versucht.«
Genau da irrst du dich, dachte Han. Nightwalker denkt, dass jedes Mädchen eine Festung ist, die erobert werden kann. Du solltest deine Zugbrücke besser oben halten.
Aber vielleicht wusste sie das auch bereits, da die Prinzessin eine Weile im Demonai-Camp gelebt hatte. Han beobachtete die beiden und fragte sich, wie gut sie sich eigentlich wirklich kannten. Eifersucht flammte in ihm auf. Er wusste, was Nightwalker wollte – er sah es seinem Gesicht an.
Mit einiger Mühe gelang es ihm, sich von diesen Gedanken loszureißen und wieder auf das zu hören, was Elena sagte.
»Nightwalker hätte das etwas angemessener ausdrücken können, Enkelin, aber lehne seinen Plan nicht vorschnell ab«, riet Elena. »Damit hätten alle Versuche, Mellony an deiner Stelle zu krönen, ein Ende. Und die Gefahr für dich wäre geringer.«
»Ich habe bereits meine Mutter verloren«, sagte Raisa. »Ich werde nicht auch noch das Leben meiner Schwester aufs Spiel setzen. Das sollte dir klar sein, Elena Cennestre. Oder muss ich dich erst daran erinnern, dass Mellony ebenfalls deine Enkelin ist? Ich werde bei keiner wie auch immer gearteten Entführung mitspielen. Ich bin sicher, dass wir einen besseren Plan auf die Beine stellen können.«
Nightwalker zuckte mit den Schultern, als wäre es ihm egal, aber Han konnte sehen, dass sein Stolz verletzt war.
Sosehr Han es auch hasste, es zuzugeben, aber in einem Punkt stimmte er mit Nightwalker überein – die Zeit war reif, um nicht länger herumzuschleichen, sondern etwas Handfestes zu unternehmen.
Alle hatten ihre eigene Vorstellung davon, wie sie die Gedenkfeier abhalten würden. Lord Averill schlug vor, dass Raisa umgeben von einer Gruppe von Demonai-Kriegern zur Beerdigung gehen sollte, um sich dort zu zeigen und danach sofort wieder nach Marisa Pines zurückzukehren. Elena stellte mächtige Talismane in Aussicht, mit denen die Prinzessin vor einem magischen Angriff beschützt werden könnte. Alle stimmten darin überein, dass der Schlüssel zum Erfolg das Überraschungsmoment war – am sichersten wäre es, sie dorthin und wieder weg zu schaffen, ehe der Magierrat überhaupt irgendeinen Angriff organisieren konnte.
Han war sehr zufrieden, dass alle anderen redeten und er und Dancer einfach nur zuhören konnten, während sie die Skizze der Begräbnisstätte musterten, die Korporal Byrne angefertigt hatte. Er wollte erst mit Dancer in Ruhe über alles sprechen und dann seinen eigenen Plan vorstellen. Dann jedoch hörte er plötzlich seinen Namen, und als er aufblickte, stellte er fest, dass alle ihn anstarrten.
»Was?«, fragte er gereizt, weil man ihn dabei erwischt hatte, wie seine Gedanken abgeschweift waren.
»Wir haben alle unsere
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