Der Zapfhahn des Tankwarts (Bronco Baxter - Gay Story 1) (German Edition)
die
Gerichtsmedizin zu bringen. Mir wurde fast schlecht.“
Der dicke Rudy kam zu uns in den
Umkleideraum gelaufen und musterte mich. „Jerry hat mir erzählt, dass es dir
nicht gut geht, Bronco“, rief er.
„Ist schon in Ordnung“, erwiderte
ich und erzählte Rudy mit stockender Stimme von Bens schrecklichem Tod. Jerry
konnte es sich nicht verkneifen, auch noch die gruseligen Details zu schildern.
Rudy schrie entsetzt auf.
„Vielleicht war es ein Triebtäter? Die schleichen nachts durch New York und
schlitzen unschuldige Opfer auf. Liest man ja oft in der Zeitung.“ Aufgebracht
lief er davon.
„Glaubst du das auch?“, fragte
ich den Cop. „Das mit dem Triebtäter?“
Jerry schüttelte den Kopf. „Ich
weiß nicht, was ich glauben soll, Bronco. Pass auf dich auf! Ich gehe noch
einmal in den Dampfraum. Ich brauche etwas Ruhe.“
Ich sah ihm nach und blieb
fassungslos auf der Bank sitzen. Steve betrat den Umkleideraum. „Ist das wahr,
was Rudy erzählt hat?“, wollte er wissen.
Ich nickte betroffen. „Und
abgeschnitten hat man es ihm auch.“
„Wer macht so etwas?“, fragte
Steve.
„Das wüsste ich auch gern“, sagte
ich.
Ich wohnte im zweiten Stock eines
Backsteinbaus im East Village. Mein Appartement bestand aus einem großen Raum,
in dem ein Bett von fürstlichen Ausmaßen, zwei Sessel, ein kleiner Tisch und
zwei Bücherregale standen. In einem Kleiderschrank bewahrte ich meine Anzüge,
Oberhemden, Krawatten und Schuhe auf. Außerdem gab es ein Badezimmer und eine
Küche. An den Wänden des Wohnzimmers hingen zwei Fotos. Auf einem war ein
röhrender Hirsch in der Abendsonne am Waldrand zu sehen, auf einem anderen der
deutsche Boxer Max Schmeling.
Am Fenster, durch das ich die
Spitze des Chrysler Building sehen konnte, hing eine Gardine mit dunkelblauen
Vorhängen. In meiner Bude gefiel es mir gut.
Ich kochte mir einen Kaffee und
dachte an Ben. Hätte ich den Mord verhindern können? Gab es eine Kleinigkeit,
die ich hätte bemerken müssen? Mir fiel nichts ein. Ich nahm die Tasse mit dem
frisch aufgebrühten Kaffee, ging ins Wohnzimmer und setzte mich auf einen
Sessel. Ich trank einen Schluck und seufzte. Der arme Ben.
Gegen sechs Uhr klingelte es an
der Wohnungstür. Ich stand auf, um sie zu öffnen. „Hi, Bronco“, sagte Robbie.
Er trug einen Instrumentenkasten in seiner rechten Hand. Ich freute mich über
seinen Besuch, so war ich an diesem Abend nicht allein. Ich hatte Robbie vor
einigen Wochen vor einem Schallplattengeschäft am Broadway aufgegabelt. Er
hatte sich die Werbefotos angeschaut, ich hatte die Chance genutzt, ihn in ein
Gespräch über neue Aufnahmen von Benny Goodman zu verwickeln. Robbie stammte
aus Chicago, war 24 Jahre alt und hatte in New York ein Engagement als
Trompeter in einer Jazz-Band. Ab und zu schaute er bei mir vorbei.
Ich bat ihn herein, er zog seinen
Mantel aus. Einen Drink lehnte er ab. „Dann kann ich nicht spielen“, erklärte
er. Ich machte eine Stehlampe an und legte mich aufs Bett. Die Arme
verschränkte ich hinter meinem Kopf. Robbie packte sein Instrument aus, setzte
sich in einen Sessel und spielte auf seiner Trompete Summertime . Die
Musik versetzte mich in eine sentimentale Stimmung. Ich schloss die Augen und
dachte an Andrew. Mit ihm hatte ich während meiner Zeit als Buchhändler im Old
Book Store gearbeitet. Wir waren ein Herz und eine Seele gewesen, gingen
ins Kino und ins Theater. Und wir besuchten Sportveranstaltungen. Im Sommer
Turmspringen, im Winter Eiskunstlauf.
Andrew hatte dann gekündigt und
war nach Los Angeles gezogen, um einen Job in der Rechercheabteilung der
Paramount anzunehmen. Falls ein Regisseur wissen wollte, welches Kleid Marie
Antoinette trug, als sie ihren schönen Kopf verlor, war Andrew bei der
Recherche hilfreich.
Robbie spielte Night and Day .
Ich schob meine sentimentalen Erinnerungen zur Seite und sang leise „ Night
and gay “. Der Trompeter lachte und legte sein Instrument auf meinen
Couchtisch. „Gibt es Platten von euch?“, erkundigte ich mich. Robbie nickte.
„Wir haben einige aufgenommen und an die Rundfunkstationen geschickt.
Vielleicht spielen sie heute Abend eine davon. Mach mal das Radio an.“
Ich stand vom Bett auf, ging zum
Rundfunkgerät und schaltete es ein. Ein lautes Hojotoho ertönte. Robbie
legte die Trompete in den Koffer zurück. „Bitte nicht, Bronco! Kein Richard
Wagner“, sagte er. „Wie wär’s mit Tanzmusik? Ich verschwinde mal kurz im Bad.“ Ich
stellte eine
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