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Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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Prolog
    „Jeder Schritt trägt uns diesem Drudengebirge näher entgegen“, hatte ich den neben mir her reitenden Advokaten Rubinez raunen hören, als sich unsere Karawane in ihrem schleppenden Trott auf den Harz zu bewegte. Ich hatte ihn darauf mit einem erstaunten Seitenblick gestreift sollte auch dieser gebildete Mann von Aberglauben umwölkt sein?
Heute schmunzle ich über Herrn Rubinez’ Gespensterfurcht und stelle mir sein Gesicht vor, wenn ausgerechnet ich mit meiner hexenartigen Verletzung ihm in diesem Moment offenbart hätte, dass ich eine gebürtige Harzerin bin. Schade um diesen verpassten Spaß. Allerdings hätte ich ihm damals meine Herkunft gar nicht preisgeben können, denn als Elfjährige hatte mir ein ‚Unfall’ nicht nur das Gesicht entstellt, sondern mich auch jeglicher Erinnerung beraubt. Erst nach anschließenden jahrelangen Anstrengungen fern meines Elternhauses, habe ich mich allmählich wieder meiner Kindheit entsonnen, wenngleich sich jener folgenschwere Unglückstag bis heute hinter einem dunklen Flor fast gänzlich vor meinen Sinnen verbirgt.

    N un, der Irrglaube, durch unsere Lüfte schwirrten Gift fauchende Druden und Hexen und unsere männlichen Naturgeister lauerten unten in Wäldern darauf, arglose Menschen anzugreifen, rührt von dem mystischen Harzer Flair her, das vorwiegend meinem Heimatgau Disburg seinen ureigenen Reiz verleiht.
Disburg war vor gut fünfhundert Jahren aus der Taufe gehoben worden, das ist amtlich. Bei der urkundlichen Entstehungsgeschichte hingegen vermag man kaum zu unterscheiden, wann darin Tatsachen in Fantastereien übergegangen waren. Berücksichtigt man indes, dass die Menschheit oft zum Kopfschütteln wundergläubig ist - seinerzeit fraglos noch ausgeprägter als derzeit - dann studiert man jene Pergamente mit nachsichtigem Lächeln.
Im nordöstlichen Harz, so beginnt die Gründungsgeschichte, hatten weit voneinander entfernt drei rotglühende Felswände in den Himmel geragt, Heimstätten je eines kirchturmhohen, wildwütigen Feuerriesen. Kein Tag dort ohne Waldbrände, ausgelöst von funkensprühenden Felsbrocken, welche diese Wüstlinge meilenweit durch die Luft schleuderten, um sich damit gegenseitig die Schädel zu zertrümmern. Und dabei ständig deren ohrenbetäubendes Kampfgebrüll! In diesem Stil setzt sich die Schilderung noch seitenlang fort, bis der Schreiber endlich auf den damaligen Landesherrn, Fürst Esico von Askanien, kommt, der beschlossen hatte, diesem Treiben ein Ende zu setzen. Fürst Esico wird als weise geschildert, weshalb ihm klar geworden sei, dass männliche Kampf-Wut einzig mit weiblichem Sanft-Mut zu besiegen ist. Zum Glück war seine Tochter Arlene voller Sanftheit, vereint mit ebensoviel Mut, was man an sich nur den Disen zuschrieb, diesen hehren, weiblichen Schutzgeistern.
Also begab sich der Fürst mit seiner Tochter auf den Weg zu jenem lodernden Landstrich. Und siehe da, bereits beim Anblick der disengleichen Arlene begann die Zornesbrunst der drei Wüteriche zu schmelzen. Sie floss dahin - mehr und immer mehr. Bis sich schließlich die auf diese Weise Geläuterten wieder ihrer eigentlichen Aufgaben besannen. Mit vor Reue tief gesenkten Häuptern reihten sich die drei Kolosse alsdann vor Arlene auf, um ihr zu beteuern, sie werden fortan als wieder untadelige Berghüter ihren Dienst in den ihnen zugewiesenen Gebieten ausüben.
Hocherfreut über dieses Ergebnis ernannte der Fürst seine Tochter unmittelbar nach ihrer Rückkehr öffentlich zur Gräfin jenes nun wieder wirtlichen Landstrichs und ließ ihr dort ein entsprechendes Anwesen errichten, die Disburg. Darüber hinaus verfügte er, der Disburger Grafenthron habe bis in alle Zeit weiblich zu bleiben, aufdass niemals mehr blinde Kampfwut jenen Gau zerschinde.
So lautet die Gründungsgeschichte unserer Grafschaft, teils wie eine Schauermär, und dennoch hat sie bis zum heutigen Tag ihre Gültigkeit bewahrt.

E RSTER T EIL

Kapitel 1
1544 - 1545 - In Disburg

     
    Autoritates Aristotelis
Lehrbuch des Mittelalters, Druck 1507 zu Köln bei Quendel
    M eine eigentliche Kindheit, an die ich mich zu meinem Bedauern bis heute nicht vollständig erinnere, währte lediglich elf Jahre. Elf reich ausgefüllte und, ich möchte sagen, überwiegend glückliche Jahre.
Zu Hause fand ich Geborgenheit, und außer Haus erlebte ich mit meinem Bruder Dietrich Abenteuer, die uns die waldreiche Umgebung großzügig bot. Verwehrte uns jedoch der gnadenlose Wintergeselle mit oft drei oder

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