Der Zauberer der Smaragdenstadt
schon ganz abgemagert . . . Was ißt du denn, Ärmster?"
„Was sich gerade findet...", erwiderte das Hündchen ausweichend.
Es wollte nicht eingestehen, daß es den Löwen jede Nacht auf die Jagd begleitete und die Überreste seiner Beute verzehrte.
Da sah Elli ein Häuschen, vor dem eine Frau stand, die freundlicher schien als die anderen
Bewohnerinnen des Ortes. Diese wollte sie um ein Nachtlager bitten. Sie ließ die
Gefährten vor dem Zaun und ging auf das Häuschen zu.
Die Frau fragte Elli:
„Was wünschst du, mein Kind?"
„Laßt uns bitte in Eurem Häuschen übernachten!"
„Aber du führst ja einen Löwen mit!"
„Ihr braucht keine Angst vor ihm zu haben. Er ist zahm und außerdem feige."
„Wenn dem so ist", erwiderte die Frau, „so kommt nur herein. Ich will euch zu essen geben, und ihr könnt bei mir auch übernachten."
Die fünf traten ins Haus. Ihr Anblick versetzte die Kinder und den Hausherrn in Angst und Staunen. Als er sich von seinem Schreck erholte, fragte er das Mädchen: „Wer seid ihr und wohin zieht ihr?"
„Wir ziehen in die Smaragdenstadt zum Großen Goodwin", erwiderte Elli.
„Tatsächlich? Seid ihr auch sicher, daß Goodwin euch sehen will?" „Warum denn nicht?"
„Na, weil er niemanden empfängt. Ich war schon oft in der Smaragdenstadt. Das ist ein
wunderbarer Ort, aber noch nie habe ich den Großen Goodwin gesehen, und ich weiß auch,
daß ihn nie jemand zu Gesicht bekommen hat..."
„Zeigt er sich denn niemals?"
„Nein. Er sitzt Tag und Nacht in dem großen Thronsaal seines Schlosses, und selbst seine
Dienerschaft kennt ihn nicht von Angesicht."
„Wie sieht er denn aus?"
„Schwer zu sagen", erwiderte der Hausherr nachdenklich. ,,Goodwin ist sehr weise und kann jede beliebige Gestalt annehmen. Manchmal zeigt er sich als Vogel oder als Elefant, oder er verwandelt sich plötzlich in einen Maulwurf. Man hat ihn schon als Fisch, als Fliege und in vielen anderen Gestalten gesehen, die er anzunehmen beliebte. Wie er in Wirklichkeit beschaffen ist, weiß kein Mensch."
Ja, das kann einem bange machen", sagte Elli. „Wir wollen ihn aber dennoch aufsuchen, denn sonst wäre ja all unsere Mühe umsonst gewesen!"
„Warum wollt ihr Goodwin den Schrecklichen eigentlich sehen?" fragte der Hausherr. „Ich will ihn um ein bißchen Gehirn für meinen Strohkopf bitten", erwiderte der Scheuch. „Nun, das ist für ihn eine Kleinigkeit! Er hat viel mehr Gehirne, als er brauchen kann. Sie liegen bei ihm in Säckchen, nach Sorten geordnet." „Und ich will, daß er mir ein Herz gibt", sagte der Holzf älter.
„Auch das wird ihm nicht schwerfallen", erwiderte der Hausherr verschmitzt. „Er hat eine ganze Sammlung von Herzen verschiedener Form und Größe an einer Schnur zum Trocknen aufgehängt."
„Und ich möchte mir bei Goodwin Mut holen", sagte der Löwe.
„Bei Goodwin im Thronsaal steht ein großer Topf voll Mut", erklärte der Hausherr. „Der Topf ist mit einem goldenen Deckel zugedeckt, und Goodwin gibt acht, daß der Mut nicht überläuft. Er wird euch mit Vergnügen eine Portion davon geben."
Als die drei Freunde die ausführlichen Erklärungen hörten, begannen ihre Gesichter zu strahlen, und sie blickten sich zufrieden lächelnd an.
„Und ich will Goodwin bitten, daß er mich und Totoschka nach Kansas bringt", sagte Elli. „Wo liegt denn dieses Kansas?" fragte der Hausherr verwundert.
„Das weiß ich nicht", erwiderte Elli traurig. „Aber es ist meine Heimat, und folglich muß es irgendwo liegen."
„Na, ich bin sicher, daß Goodwin dein Kansas finden wird. Aber zuerst müßt ihr ihn selber finden, und das ist keine leichte Aufgabe. Goodwin läßt sich nicht gerne sehen, er wird dazu seine guten Gründe haben", fügte der Hausherr im Flüsterton hinzu, wobei er sich umblickte, als befürchte er, Goodwin lauere unter dem Bett oder hinter dem Schrank. Da wurde es allen unheimlich zumute, und es fehlte nicht viel, so wäre der Löwe aus dem Zimmer gerannt, weil er es draußen für ungefährlicher hielt.
Das Abendbrot wurde aufgetragen, und alle setzten sich zu Tisch. Elli aß mit großem Appetit schmackhaften Buchweizenbrei, Spiegeleier und Schwarzbrot. Sie freute sich über diese Gerichte, die sie an ihre ferne Heimat erinnerten. Auch der Löwe bekam Buchweizenbrei, aß ihn aber mit Abscheu und sagte, das sei ein Gericht für Kaninchen und nicht für Löwen. Der Scheuch und der Holzfäller aßen nichts. Totoschka verschlang gierig seine Portion und bat um
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