Der Zauberer der Smaragdenstadt
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Die Hausfrau brachte Elli zu Bett, und das Hündchen kauerte sich neben seine kleine Herrin hin. Der Löwe streckte sich vor der Schwelle aus und paßte auf, daß niemand das Zimmer betrete. Der Eiserne Holzfäller und der Scheuch standen die ganze Nacht in einer Ecke und unterhielten sich leise.
Zweiter Teil
DER GROSSE UND SCHRECKLICHE
DIE SMARAGDENSTADT
Am nächsten Morgen, als die Freunde bereits mehrere Stunden unterwegs waren, sahen sie plötzlich ein grünes Leuchten am Horizont. „Das ist wahrscheinlich die Smaragdenstadt", meinte Elli.
Das Leuchten wurde, je näher sie kamen, immer stärker, aber erst am Nachmittag erreichten die Wanderer die hohe grellgrüne Mauer, von der es ausging. Vor ihnen befand sich ein großes Tor mit riesigen Smaragden, die so stark funkelten, daß sie sogar den Scheuch blendeten, obwohl er nur gemalte Augen hatte. Hier hörte der gelbe Backsteinweg auf, der die Freunde so viele Tage geführt und schließlich ans ersehnte Ziel gebracht hatte. Über dem Tor hing eine Glocke. Elli zog an der Schnur, und die Glocke gab einen tiefen klaren Ton. Alsdann öffnete sich langsam das Tor, und die Wanderer traten in ein Zimmer mit gewölbter Decke, dessen Wände von zahllosen Smaragden funkelten.
Ein kleines Männlein empfing sie, das von Kopf bis Fuß in Grün gekleidet war und an der
Hüfte eine grüne Tasche trug.
Das Männlein war sehr erstaunt bei ihrem Anblick und sagte:
Wer seid ihr?"
Ich bin ein Strohmann und brauche ein Gehirn!" erwiederte der Scheuch.
„Ich bin aus Eisen gemacht und wünsche mir ein Herz", sagte der Holzfäller.
„Ich bin der Feige Löwe und möchte mir hier Mut holen", erklärte der Löwe.
„Und ich bin Elli aus Kansas und will in meine Heimat zurückkehren", sagte das Mädchen. „Wozu seid ihr aber in die Smaragdenstadt gekommen?"
„Wir wollen den Großen Goodwin sehen. Wir hoffen, daß er unsere Wünsche erfüllt, denn uns kann außer einem Zauberer niemand helfen."
„Schon viele Jahre hat niemand bei Goodwin dem Schrecklichen um Einlaß gebeten", erwiderte das Männlein nachdenklich. „Er ist mächtig und schrecklich, und falls ihr ohne triftigen Grund oder mit der bösen Absicht gekommen seid, den weisen Zauberer beim Denken zu stören, so wird er euch im Handumdrehen vernichten."
„Aber wir haben doch wichtige Anliegen an Goodwin", sagte der Scheuch nachdrücklich. „Wir haben gehört, daß er ein gütiger Weiser ist."
„Das stimmt", meinte das grüne Männlein. „Er regiert weise die Smaragdenstadt. Aber wer aus purer Neugier in die Stadt kommt, den beneide ich nicht. Ich bin der Torhüter, und da ihr gekommen seid, werde ich euch zu Goodwin führen, nur müßt ihr Brillen aufsetzen." „Brillen?" wunderte sich Elli.
„Ohne Brillen wird euch die Pracht der Smaragdenstadt blenden. Bei uns tragen alle Einwohner Tag und Nacht Brillen. So hat's der Weise Goodwin befohlen. Die Brillen haben ein Schloß, damit sie niemand abnehmen kann."
Er öffnete seine grüne Tasche, in der sich viele grün Brillen jeder Größe befanden. Die Ankömmlinge, der Löwe und Totoschka nicht ausgenommen, mußten Brillen aufsetzen, deren winzige Schlößchen der Torhüter verschloß.
Dann setzte er gleichfalls eine Brille auf und führte die betroffen schweigenden Wanderer durch die gegenüberliegende Tür auf eine Straße.
Die herrliche Stadt blendete die Ankömmlinge, obwohl die Brillen ihre Augen schützten. Zu beiden Seiten standen prächtige Häuser aus grünem Marmor, deren Wände Smaragde schmückten. Die Fahrbahn bestand aus grünen Marmorplatten, zwischen die Smaragde eingelegt waren. Auf der Straße drängte sich das Volk.
Neugierig betrachteten die Leute Ellis Gefährten, doch niemand richtete ein Wort an sie. Auch hier schienen sich alle vor dem Löwen und Totoschka zu fürchten. Die
Stadtbewohner trugen grüne Kleider, und auch ihre Haut schimmerte grün. Alles war in der Smaragdenstadt grün, sogar die Sonnenstrahlen.
Der Torhüter geleitete die Wanderer durch die grünen Straßen zu einem hohen schönen Gebäude in der Mitte der Stadt. Es war das Schloß des Großen und Weisen Zauberers Goodwin.
Ellis Herz pochte laut vor Erregung, als sie durch den Schloßpark gingen, in dem viele Springbrunnen und Blumenbeete zu sehen waren. Jetzt wird sich ihr Schicksal entscheiden, jetzt wird sie erfahren, ob der Zauberer Goodwin sie in ihre Heimat führen werde, ob die Strapazen des langen und mühsamen Weges umsonst waren oder nicht.
Das
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