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Der zeitlose Winter

Der zeitlose Winter

Titel: Der zeitlose Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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dann zuckte er mit den Schultern. »Er ist kein schlechter Mensch, aber er trifft nur selten eine selbstlose Entscheidung. Ich glaube, er ist mir weniger aus Selbstaufopferung zu Hilfe gekommen, als um sich selbst zu retten.«
    »Ach, wirklich? Nun, dann will ich dir einmal eine Geschichte erzählen. Höre gut zu – sie kann für dich eine Bedeutung haben, die du nicht erwartest.«
    »Ich glaube, von Geschichten habe ich genug, vielen Dank«, sagte Fischmehl niedergeschlagen. »Und die Bedeutung scheint für jeden eine andere zu sein.«
    »Das trifft auf Mythen zu«, sagte Duk, »aber nicht auf Geschichte. In der Geschichte, die ich dir erzählen will, geht es um Hammurabi.«
    »Mein Bruder?«, rief Fisch überrascht aus. »Du kennst ihn seit zwei Tagen. Was kannst du mir über ihn erzählen, das ich nicht selbst besser wüsste?«
    »Eine Geschichte, die du nicht so gut kennst, weil du zu jung warst, um dich daran zu erinnern«, sagte Duk. Ohne auf eine Erwiderung zu warten, fuhr er fort. »Als du noch ein kleines Kind warst, hattest du eine tiefe Abneigung gegen jeden Mittagsschlaf und warst unermüdlich auf den Beinen. Eines Nachmittags bist du irgendwie unbemerkt aus dem Haus geschlüpft und auf die Straße gelaufen. Die Stadt war relativ friedlich, aber es gab umherziehende Räuberbanden, und es war mit Sicherheit kein Ort, an dem ein Kind allein unterwegs sein sollte. Und dann… waren da noch die Hunde. Sie liefen frei in den Hügeln herum und ernährten sich von allem, was ihnen unterkam – von Nagetieren, verirrtem Vieh und gelegentlich…«
    Duk hielt inne und biss sich auf die Lippe. Er wandte sich von Fisch ab und sprach weiter. »Du warst so weit gelaufen, dass der Lärm und die Geschäftigkeit der Straße sie nicht mehr vertreiben konnte. Drei große Hunde, weit größer als du selbst, zart wie du warst, hatten dich in eine Ecke gedrängt, wo deine Schreie niemand hören oder beachten würde. Deine Lebenszeit ließ sich in diesem Augenblick in Sekunden bemessen, wenn überhaupt.«
    »Ich… erinnere mich an irgendetwas, was mit diesen Hunden zusammenhängt«, sagte Fisch langsam, »aber wie konntest du…?«
    Fast schien es, als hätte der kindliche Buddha ihn nicht gehört. »Du hattest noch nicht angefangen zu weinen – das hast du erst hinterher getan –, aber deine Hand hattest du nach dem Leithund ausgestreckt, dessen Maul offen war. In diesem Augenblick schob jemand seine eigene Hand in das Maul des Hundes.«
    Duk blickte Fisch an, Tränen in den Augen. »Es war Hammurabi, Fischmehl. Er war dir in einiger Entfernung gefolgt, bis er die Hunde näher kommen sah. Er erkannte nicht, dass sie dir Schaden zufügen wollten, bis es beinahe zu spät war. Und das Einzige, was er dagegen tun zu können glaubte, war, sich selbst an deiner Stelle anzubieten.«
    Fisch schwankte, dann ließ er sich hart auf den Fels zurückfallen. Er wirkte benommen, doch seine Augen waren klar. »Ich… ich erinnere mich… Er hinderte den Hund daran, mir…«
    »Dir die Hand abzureißen… und verlor dabei seinen Daumen. Als die anderen Hunde Blut witterten, griffen sie an, und das fünfjährige Kind wehrte sie ganz allein ab, bis der Lärm Erwachsene zu eurer Hilfe herbeirief. Die Verletzungen, die er davontrug, hätten ihn beinahe das Leben gekostet, und du…«
    »Ich habe nicht einen Kratzer abbekommen«, flüsterte Fisch.
    »Nicht einen Kratzer.«
    Fischmehl sah Duk verwundert an, doch der kindliche Buddha lächelte nur sanft.
    »Letzte Nacht war nicht das erste Mal, dass dein Bruder sein Leben für dich riskiert hat.«
    Fisch erwiderte seinen Blick, dann trübten sich seine Augen. »Du verstehst nicht – wegen seiner Freunde, wegen ihm…«
    »Ist deine Mutter gestorben.«
    »Hat Bragi dir das erzählt?«
    »Nein«, sagte Duk. Er lehnte sich in die Schatten des Felsen zurück und drückte das Kreuz durch. Als er weitersprach, schien seine Stimme irgendwie weicher, und Fischmehls Herz krampfte sich zusammen. Er hatte den Eindruck, dass sich der Gesichtsausdruck des Kindes veränderte – ein Eindruck, der sich verstärkte, als Duk mit einer Stimme zu sprechen begann, in der der Geist einer vertrauten Erinnerung widerhallte.
    »Ich weiß es«, sagte das Kind, »weil ich es war, die vor Entsetzen aufschrie, als ich feststellte, dass du verschwunden warst, und schließlich vor Erleichterung und Freude, als du sicher nach Hause gebracht wurdest. Ich war es, die seine Wunden versorgt hat, die sich über seine Genesung

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