Der Zeitspieler
unbestreitbar seines, Cargills.
Die Aufnahmen entglitten seiner wie erstarrten Hand. Er fixierte das Mädchen mit zusammengekniffenen Augen. »Was wollen Sie?« fragte er heiser. Und dann heftiger: »Woher haben Sie diese Bilder?«
Als würde ihm jetzt erst der Ernst seiner Lage bewußt, griff er schnell wieder nach den Fotografien, ehe die Frau sie einstecken konnte. Mit zitternden Fingern zerriß er sie in winzige Fetzen.
»Sie hätten sie ohnehin behalten können«, erklärte ihm das Mädchen ruhig. »Ich habe die Negative.«
Cargill trommelte unbewußt auf die Theke. Der Barkeeper kam vom anderen Ende herbeigerannt. »Noch einmal das gleiche, Sir?« Cargill nickte nur. Er verschluckte sich fast, als er auch den zweiten Drink in sich hineinschüttete. Aber offenbar half er, denn er konnte wieder logisch denken. Wenn die Frau gar nicht gestorben war, konnte man ihm nach dieser langen Zeit nichts mehr anhängen.
Er bemerkte, daß sie in ihrer Tasche herumfummelte. Sie holte etwas Glitzerndes, aber sonst Zigarettenähnliches heraus, steckte es sich zwischen die Lippen und zog daran. Ein dünnes Rauchwölkchen stieg davon auf. Ohne auf seinen verblüfften Blick zu achten, kramte sie weiter in der Tasche. Diesmal brachte sie eine Art Visitenkarte zum Vorschein. Sie schob sie ihm über die Theke zu.
»Sie fragen sich gewiß, worum es hier geht«, meinte sie. »Hier, das erklärt es zumindest teilweise. Sehen Sie sich die Karte an.«
Cargill schien sie nicht zu hören. »Diese – Zigarette«, murmelte er. »Sie haben sie gar nicht angezündet!«
»Zigarette?« wiederholte sie fragend. Doch dann verstand sie offenbar. Erneut verschwand ihre Hand in der Tasche und kam mit einer Zigarette wie die, die sie rauchte, heraus. Sie drückte sie ihm in die Hand. »Sie zündet sich automatisch, wenn Sie daran ziehen«, versicherte sie ihm. »Es ist eine ganz einfache Sache, ich habe nur nicht daran gedacht, daß es sie erst in etwa hundert Jahren geben wird. Sie sind sehr beruhigend.«
Also genau, was er brauchte. Die Zigarette schien aus irgendeinem Synthetikzeug hergestellt zu sein, rauchte sich aber wie reiner, milder Tabak. Cargill zog dreimal tief daran, dann fühlte er sich bereits viel ruhiger. Er vergaß, wie ungewöhnlich diese Zigarette war, und griff nach der Karte neben seinem Glas. Die Leuchtschrift sprang ihm förmlich ins Auge.
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THERAPEUTISCHE WIEDERGUTMACHUNGSMASSNAHMEN
an
Morton Cargill
BEGANGENES VERBRECHEN: MORD
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Cargill war, als taste eine eisige Hand nach seinem Herzen. Wie durch Watte hindurch hörte er das Tanzorchester aus dem Nebensaal. Er schüttelte den Kopf, um die Benommenheit abzustreifen. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?« fragte er mit belegter Stimme.
Sie verneinte. »Es geht nicht von mir aus«, erklärte sie. »Nachdem ich Sie einmal konsultiert hatte, war mir die Sache aus der Hand genommen. Und was Sie betrifft, als Sie die Karte lasen, gab es für Sie ...?« Ihre Stimme wurde immer schwächer, verlor sich schließlich ganz. Tiefe Finsternis erfaßte ihn.
2.
Die Schwärze war der Helle eines normal beleuchteten Raums gewichen, trotzdem blieb alles vor seinen Augen verschwommen. Cargill blinzelte heftig, bis er wieder einigermaßen klar sehen konnte. Er blickte sich um. Zuerst wollte er nicht verstehen, daß er sich nicht mehr in der Bar befand. Obgleich seine Umgebung sich zweifellos verändert hatte, versuchte er sich einzureden, daß er nirgendwo anders sein konnte. Doch diese Illusion ließ sich beim besten Willen nicht aufrechterhalten. Er saß in einem gegen die Wand gelehnten Sessel in einem geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer. Links von ihm stand eine Tür halboffen, durch die er ein Stück von einem Bett sah. Die Wand ihm gegenüber war ein Spiegel.
Oder doch nicht? Denn als er in den »Spiegel« schaute, sah er, daß in dem vermeintlichen Spiegelbild seines Sessels nicht er saß, sondern das Mädchen, das Marie Chanette ähnelte.
Er sprang auf. In zwei hektischen Minuten hatte er die ganze Wohnung durchsucht. Die Tür, die er als erstes bemerkt hatte, führte zu einem Schlafzimmer mit anschließendem Bad. Das Bad hatte eine zweite Tür, die er nicht aufbekam. Natürlich war ihm jetzt klar, daß es sich bei der Wand im Wohnzimmer nicht um einen Spiegel, sondern um eine die ganze Fläche einnehmende Glasscheibe handelte, die einen Blick
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